Markus Munk sammelt alte Ansichtskarten aus Schmiden. Sie spiegeln den Zeitgeist wider, machen ablesbar, wie sich der Ort verändert hat und haben trotz digitaler Messenger-Dienste nach wie vor eine große Anziehungskraft. In diesem Jahr feiert die Postkarte ihr 150-jähriges Bestehen.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Schmiden - Es ist ein Gruß aus einer anderen Zeit: „Soeben im Gasthaus zum Pflug angekommen, gestatte ich mir einen kräftigen Schluck auf ihr wertes Wohl zu trinken“, schreibt ein Heinrich Merz an ein „geehrtes Fräulein“. Die Karte von 1898 ist eine der rund 150 Ansichtskarten, die Markus Munk gesammelt hat.

 

Nicht nur die Schrift, auch die Sprache ist eine andere damals

Und er greift immer wieder in den dicken Band, holt eine Karte heraus und liest die Korrespondenz, die in Sütterlinschrift verfasst ist, vor. „Freund ich bin von Schmiden, komm von Fellbach her. Liebe Schwester und lieber Schwager, für die freundlichen Wünsche besten Dank. Befinde mich ganz wohl auf dem Lande“, heißt es da. Nicht nur die Schrift, auch die Sprache ist eine andere damals. Und auch die Darstellungen auf den Karten erzählen von der Vergangenheit. „Die Karten wurden damals in Wirtschaften ausgegeben. Um die Jahrhundertwende war Schmiden noch Land mit vielen Wirtschaften, ein ländliches Ausflugsziel“, sagt Markus Munk. Das greift auch eine Karte aus den 1920er Jahren auf, auf der Schmiden als Landidyll umrahmt von Bäumen und mit hohem Erntewagen zu sehen ist mit dem Korber Kopf als Hintergrund. „Mit dieser Postkarte hat damals einer Käse im Allgäu bestellt“, sagt Markus Munk. Das passte wohl gut zusammen.

Seine Urgroßeltern waren Anna und Friedrich Canz

Die Sammlung des Lehrers ist ein spannender Ritt durch die Zeit. Ein Exemplar von 1900 zeigt das Schmidener Rathaus mit Backhäuschen. Es sind die dargestellten Details, die dadurch interessant sind, weil sie heute längst verschwunden sind. Auf einem anderen Stück ist das Gebäude vom heutigen Schuh Bürkle und der Metzgerei Kauffmann zu sehen. „Die Ansichtskarten zeigen Schmiden, wie es einmal war und nicht mehr ist“, sagt der Sammler, der in Schmiden aufgewachsen ist. Die Wurzeln seiner Familie reichen in seinem Heimatort weit zurück. Seine Urgroßeltern waren Anna und Friedrich Canz. „Friedrich Canz war ein Schmidener Handwerker, Sattler und Tapezierer und bewohnte das im Volksmund bezeichnete S‘Canza-Häusle, ein kleines Gebäude, das direkt gegenüber dem Schmidener Rathaus stand. Später hat man S’Canza-Häusle abgerissen, heute fahren am Tag Tausende Autos über die einstigen Grundmauern“, erzählt Markus Munk – und holt Karten heraus, die dieses Gebäude zeigen. Dann kommt eine Luftaufnahme dran, die Karte heißt nüchtern „Schmiden vom Flugzeug aus“, sie veranschaulicht, wie wenig zersiedelt der Ort im Gegensatz zu heute war. Auch Besonderheiten sind in der Sammlung.

Einige Exemplare hat er in Schreibwarenläden gekauft

Zwei Postkarten sind von Adolf Schnaufer, dem evangelischen Pfarrer von 1921 bis 1949 in Schmiden. Nach ihm ist auch ein Weg am Friedhof benannt, er hatte Repressalien durch das NS-Regime erfahren. In den 60-er und 70er-Jahren herrschte dann Aufbruchstimmung. Schon die Vierteilung der Bildseite wie von Urlaubsorten suggerierte, dass man sich an einem besonders sehenswürdigen Ort befindet. Die Sehenswerte war nach der damaligen Lesart das Moderne. Die Infrastruktur mit großen Straßen, Neubauten und die Hochhäuser in der Postweg-Siedlung waren plötzlich Aushängeschilder. „Fremdgeschmückt“, darauf weist der Postkartenkenner hin, „haben sie sich mit dem damaligen Fellbacher Freibad.“ Das prangt auf einer Karte aus den 70er-Jahren von Schmiden.

Einige Exemplare hat er in Schreibwarenläden gekauft – wie Buch und Papier Rampp – die es heute auch schon längst nicht mehr gibt. Und einige Exemplare hat Munk bei der Ansichtskartenmesse in der Stuttgarter Liederhalle erstanden. „Es kommen immer wieder neue dazu“, sagt der 42-Jährige, der selber schon eigene Postkarten hergestellt hat – und immer noch selbst welche verschickt.