Finanzminister Schäuble und Wirtschaftsminister Gabriel präsentieren den Etat und das Investitionspaket als eine Gemeinschaftsleistung. Doch der frühere SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück hält die Steuerpolitik für kritikwürdig.

Berlin - Wenn das Kabinett die Eckpunkte für den nächsten Bundeshaushalt und den Finanzplan der kommenden Jahre beschließt, fällt dem Finanzminister die Aufgabe zu, das Zahlenwerk der Öffentlichkeit vorzustellen. So war es in den vergangenen Jahren. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) weicht von diesem Ablaufplan ab und und präsentiert zusammen mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ein „neues Kapital in der Haushaltspolitik“. Mit dem gemeinsamen Auftritt demonstrieren Schäuble und Gabriel Eintracht. Die Botschaft lautet: Die Koalition ist sich über den Kurs in der Haushalts- und Finanzpolitik einig. Die Bilder vom gemeinsamen Auftritt sollen kleinere Scharmützel wie den Streit über höhere Freibeträge für Alleinerziehende oder den Umgang mit Griechenland vergessen machen. Die Regierung stellt stattdessen ihre Erfolge heraus. Dazu zählen die Minister den ausgeglichenen Haushalt, der künftig zur Regel werden soll. Die Finanzpolitik sei eine wesentliche Ursache für die stabile Wirtschaftslage in Deutschland, lautet der Befund des Finanzministers. Und Gabriel sekundiert: „Wir wollen auf keinen Fall neue Schulden machen.“

 

Der Grund für die große Bühne in Berlin ist nicht allein im Zahlenwerk zu suchen. An die „schwarze Null“ im Etat haben sich die Bürger inzwischen gewöhnt. Der ausgeglichene Etat ist aus Sicht der beiden Minister dennoch nicht selbstverständlich. Die gute Finanzlage nutzte die Regierung dazu, um ein Investitionspaket zu schnüren. Allein für den Verkehr und den Ausbau des Breitbandnetzes sollen in den nächsten Jahren mehr als zehn Milliarden Euro investiert werden, rechnet man die Mehrausgaben ein, die von der Regierung schon zu Beginn ihrer Amtszeit beschlossen worden sind. Damit nicht genug. Auch die Städte und Gemeinden erhalten zusätzliche Milliarden, wobei Berlin darauf achten will, dass vor allem die finanzschwachen Kommunen davon profitieren. Außerdem werden noch die Mittel für die Entwicklungshilfe um acht Milliarden Euro aufgestockt, auch Bundeswehr und Bundespolizei erhalten deutlich mehr.

Schäuble lockert die Sparpolitik

Selten zuvor hinterließ der Auftakt zu den Etatverhandlungen so viele zufriedene Gesichter. Auf 23 Milliarden Euro beziffert die Regierung die zusätzlichen Zukunftsinvestitionen bis zum Jahr 2019. Das geschnürte Paket setzt sich aus vielen einzelnen Punkten zusammen und lässt sich schwer überblicken. Auch deshalb rühren Schäuble und Gabriel kräftig die Werbetrommel. Schäuble gibt zu, dass die Sparpolitik gelockert wird. Während von 2009 bis 2014 das Etatvolumen fast konstant blieb, erhöhen sich in den nächsten Jahren die Ausgaben wieder stärker. Mit dem Nachtragsetat für 2015 plant der Bund ein Etatvolumen von 303 Milliarden Euro. Bis 2019 steigt es auf 334 Milliarden Euro. Das ist immerhin ein Anstieg um zehn Prozent.

Gabriel sieht in den zusätzlichen Investitionsausgaben die Grundlage dafür, dass es auch in den nächsten Jahren bergauf geht. Wie groß das Bedürfnis nach Harmonie ist, zeigt sich daran, dass Gabriel selbst die von der SPD ungeliebten Mautpläne verteidigt. In einer Koalition „müssen Sie sich auch für die Dinge verantwortlich fühlen, die man nicht vorgeschlagen hat“, gibt der Vizekanzler zu Protokoll. Beim Haushalt mit seinen Steigerungsraten fällt das Gabriel noch leichter. „Die Eckwerte zum Haushalt sind unsere gemeinsamen Eckwerte“, sagt der SPD-Chef.

Überhaupt bemühen sich beide Minister sehr, die gute Stimmung in der Koalition zur Schau zu stellen. Sie unterstreichen das durch launige Frotzeleien. Schäuble wiederholt einen früheren Satz, der auf die griechische Politik gemünzt war: „Regieren ist ein Rendezvous mit der Wirklichkeit. Das gilt auch für die Sozialdemokraten“, sagt Schäuble. Gabriel revanchiert sich später mit dem Hinweis, dass die SPD mit dem Blick auf das, was sie mit den Rentenbeschlüssen, dem Mindestlohn und der Mietpreisbremse durchgesetzt habe, außerordentlich zufrieden sein könne.

Peer Steinbrück gießt Wasser in den Wein

Nachdenklich wirken beide Politiker beim Thema Griechenland. Auf die Frage, ob Schäuble zur Eskalation mit Athen beigetragen habe, sagt der Finanzminister: „Diesen Schuh ziehe ich mir nicht an.“ Weder er noch der griechische Finanzminister hätten sich jemals unhöflich übereinander geäußert. Er müsse aber auf die kritische Lage hinweisen. Die Zusammenarbeit Griechenlands mit der Troika sei ein Trauerspiel, sagt Schäuble. „Die Zeit für Griechenland wird knapp.“ Gabriel pflichtet ihm bei und sagt, es müsse alles dafür getan werden, um die Lage in der Eurozone stabil zu halten.

Bei so viel Übereinstimmung geht an diesem Tag beinahe unter, dass sich auch der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zu Wort meldet. Sein Auftritt in Berlin findet fast zeitgleich mit Gabriels und Schäubles Pressekonferenz statt. Was der ehemalige Finanzminister zu sagen hat, passt nicht zur verbreiteten Selbstzufriedenheit der großen Koalition. Der Abgeordnete Steinbrück und sein Fraktionskollege Matthias Ilgen legen einen Katalog zum Abbau von Steuerbürokratie vor. Dass das 29 Seiten umfassende Papier just an dem Tag der Haushaltsbeschlüsse präsentiert wird, sei Zufall, sagen die Autoren. „Wir sind gerade fertig geworden.“

Steinbrück und sein Kollege machen detaillierte Vorschläge, wie sich die Steuerbürokratie für Unternehmen abbauen lässt. Steinbrück, ein Freund klarer Worte, begründet den Vorstoß damit, dass die Steuerpolitik seit Jahren unterbelichtet sei. Sowohl die schwarz-gelbe Koalition als auch die große Koalition hätten auf diesem Gebiet wenig zustande gebracht, lautet seine Analyse. Dabei sei für den Mittelstand die Steuerbürokratie ein Hemmnis. Steinbrück schlägt etwa vor, dass die Grenze für die Umsatzsteuerpflicht für Kleinunternehmen angehoben wird, Existenzgründer von Auflagen entlastet und die Zinsen für Steuernachforderungen dem Marktniveau angepasst werden. Steinbrück will mit seinen Ideen „Zug in den Kamin kriegen“.