Der Präsident Wolfgang Dietrich formt den VfB Stuttgart ganz nach seinen Vorstellungen. Das ist für ihn nicht ohne Risiko, kommentiert der StZ-Autor Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Kennen Sie Hubertus Hess-Grunewald? Noch nie gehört? Kein Wunder. Der Präsident von Werder Bremen steht dem Fußball-Bundesligisten weitgehend unbeachtet vor, wirkt nach innen. Wolfgang Dietrich, der Präsident des VfB Stuttgart, interpretiert seine Rolle anders. Nach außen gerichtet, mehr Bayern-Boss Uli Hoeneß ähnelnd als Hess-Grunewald. Das ist spätestens klar geworden, als er jüngst in einer bundesweit beachteten Aktion seinen Sportvorstand Jan Schindelmeiser nach nur 13 Monaten, inklusive Bundesliga-Aufstieg, abserviert hat. Die Frage, wer der Chef beim VfB ist, konnte nicht deutlicher beantwortet werden.

 

Schindelmeisers Nachfolger Michael Reschke beginnt an diesem Freitag offiziell seinen Dienst. Der frühere Kaderplaner von Bayer Leverkusen und Bayern München gilt als Fachmann, allerdings nicht unbedingt als Mann für die erste Reihe. Reschke zieht lieber im Hintergrund die Strippen – was dann wiederum passt. Denn Wolfgang Dietrich sieht sich als das Gesicht des VfB. Zuletzt war der Präsident auf einem Bild zu sehen, wie er den Arm kumpelhaft um Michael Reschke legt. So hat er sich auch schon mit Jan Schindelmeiser ablichten lassen, doch der passte schnell nicht mehr ins VfB-Bild Dietrich’scher Prägung. Teamwork heißt bei ihm, dass sich alle hinter dem Präsidenten versammeln.

Unpassende Vorwürfe

Jan Schindelmeiser hatte aber seinen eignen Kopf. Er ist mit überdurchschnittlich viel Selbstvertrauen ausgestattet, der Umgang mit ihm kann herausfordernd sein. Zu seinem Selbstverständnis gehört es auch, Transfers ohne die Zustimmung des Präsidenten auf den Weg zu bringen. Was ihm dann den Vorwurf einbrachte, Alleingänge zu starten. Es lässt sich darüber streiten, ob ein Sportvorstand seine Kompetenzen überschreitet, wenn er den Präsidenten nicht über alle seiner Schritte informiert. Ihm allerdings Konzeptlosigkeit zu unterstellen, ist falsch. Unter Schindelmeister war seit langem wieder ein VfB-Plan zu erkennen, der auf jungen Spielern und einen innovativen Trainer basiert. Und es war Schindelmeisers Idee, den unbekannten Hannes Wolf zu verpflichten.

Schindelmeiser ist bei der Personalpolitik neue Wege gegangen. Dazu gehörte es auch, nicht die Dienste alt eingesessener Spielerberater in Anspruch zu nehmen. Diese Platzhirsche waren es dann auch, die im VfB-Umfeld Stimmung gegen Schindelmeiser gemacht haben. Ob dessen Transferpolitik mit Blick auf die anstehende Erstligasaison gut oder schlecht war, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewerten. Genauso wenig wie der Turbo-Transfer von Michael Reschke, der schon vor Amtsantritt den Verteidiger Dennis Aogo verpflichtet hat. Wolfgang Dietrich mag schnelle Entscheidungen. Bei Schindelmeiser hat ihm zum Beispiel die Verstärkung der Abwehr zu lange gedauert.

Dankbarkeit? Fehlanzeige!

Was aber nicht vergessen werden darf: Dietrich hat es Schindelmeiser zu einem erheblichen Teil zu verdanken, dass er im Oktober 2016 überhaupt erst zum VfB-Präsidenten gewählt wurde. Ohne die Empfehlung von ihm und Hannes Wolf, dem bei den Mitgliedern beliebten sportlichen Führungsduo, hätte Dietrich kaum die 50-Prozent-Hürde genommen. Ebenso hilfreich war Schindelmeisers deutliches Bekenntnis zur Ausgliederung der Profi-Abteilung, deren Aufsichtsratschef Dietrich jetzt ebenfalls ist. Auf Dankbarkeit basiert Dietrichs Führungsstil jedoch nicht. Er versteht sich vielmehr darauf, wichtige Personen hinter sich zu bringen. Allein Hannes Wolf hatte sich zuletzt nicht davon abbringen lassen, die Arbeit des geschassten Sportvorstands öffentlich zu würdigen.

Eines ist aber klar: Sportlicher Erfolg und Misserfolg werden bei diesem Führungsstil künftig mehr denn je direkt mit dem VfB-Präsidenten in Verbindung gebracht werden. Er hat den Club schließlich ganz auf seine Person hin ausgerichtet.