Wen schickt die CDU als neuen Chef zum Rechnungshof? Heiß gehandelt wird die Ex-Politikerin Gisela Meister-Scheufelen. Doch sie hat ein erhebliches Handicap: ihre Rolle in der Finanzkrise der Dualen Hochschule.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein Abschied, der etliche Fragen aufwarf. Keinerlei Begründung lieferte Gisela Meister-Scheufelen, als sie ankündigte, die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Ende September vorzeitig zu verlassen. Sie freue sich, als Kanzlerin vier Jahre lang an der Weiterentwicklung des „wirklichen Erfolgsmodells“ mitgewirkt zu haben. Nun wolle sie „eine neue Aufgabe im Land übernehmen“ – welche, blieb offen.

 

Noch einsilbiger äußerte sich der CDU-Landeschef und Vizepremier Thomas Strobl. Gefragt, welche Pläne die Partei mit der einstigen Politikerin habe, verwies er nur auf die Äußerungen des neben ihm sitzenden Ministerpräsidenten; besser könne er es auch nicht sagen. Dabei hatte sich Winfried Kretschmann nur ganz allgemein zur Personalpolitik der grün-schwarzen Koalition geäußert; von Meister-Scheufelen war bei ihm keine Rede.

Munding kann nicht mehr verlängern

Hinter vorgehaltener Hand aber fällt ihr Name immer öfter. Heiß gehandelt wird die 60-jährige Ex-Staatssekretärin für eine Position, die bald frei wird und ausweislich der vereinbarten „Vorschlagsrechte“ der CDU zufallen soll: die des Präsidenten des Landesrechnungshofs in Karlsruhe. Der Amtsinhaber Max Munding (67) geht stramm auf den Ruhestand zu: Bereits zum dritten Mal hat er seine Amtszeit über die Altersgrenze hinaus um ein Jahr verlängert, Ende August 2017, wenn er 68 wird, ist endgültig Schluss für ihn.

Offiziell begründete Munding die Nachspielzeit alleine mit „persönlichen Erwägungen“. Ihn reize die Aufgabe, ließ er erklären, zudem halte er eine längere Lebensarbeitszeit grundsätzlich für wünschenswert. Ein anderes, ihm oft unterstelltes Kalkül wies er weit von sich. Der CDU-Mann habe den Posten unbedingt bis über die Landtagswahl halten wollen, damit ihn seine – dann wieder regierende – Partei besetzen könne. Nun sind die Christdemokraten zwar nur Juniorpartner der Grünen, aber den nächsten Chefprüfer dürfen sie trotzdem stellen. Neben dem Präsidenten des Staatsgerichtshofs ist es wohl das wichtigste Amt jenseits des Kabinetts, das sie sich in der Koalition gesichert haben.

Fast das perfekte Profil für die Prüfbehörde

Die Spitze des Rechnungshofs bleibt damit CDU-dominiert samt einem FDP-Farbtupfer. Der einzige einst von der SPD nominierte Direktor wurde zu grün-roten Regierungszeiten durch einen „schwarzen“ Beamten aus der Staatskanzlei ersetzt. Kretschmann verweist in diesen Tagen gerne darauf, um Kritik an der Personalpolitik der Koalition zu kontern: Daran sehe man, dass Posten nicht nach Parteibuch, sondern nach Qualifikation vergeben würden. Dabei hat sich gerade bei der Kontrollbehörde eine gewisse Farbenvielfalt bewährt: der „rote“ Chefprüfer war lange der einzige, der den EnBW-Deal von Stefan Mappus (CDU) prüfen wollte, wurde aber von Munding ausgebremst. Später immerhin kümmerte sich eine der CDU anghehörende Direktorin umso engagierter um das Milliardengeschäft.

Für die Nachfolge Mundings hätte Meister-Scheufelen, die den Koalitionsvertrag für die CDU mitverhandelte, fast das perfekte Profil. Politik und Verwaltung kennt die promovierte Juristin aus vielen Perspektiven: als Landtagsabgeordnete, Präsidentin des Statistischen Landesamtes, Wirtschaftsstaatssekretärin in Berlin und zuletzt Ministerialdirektorin im Stuttgarter Finanzministerium. Neben ihrem Schwerpunkt Wirtschaft und Wissenschaft gilt sie auch finanzpolitisch als profiliert, in Veröffentlichungen hat sie sich wiederholt mit Staatsverschuldung und Schuldenbremse befasst. Eigentlich wäre sie damit bestens gerüstet für den Chefsessel in Karlsruhe.

Schlüsselrolle bei Finanzkrise an Hochschule

Doch Meister-Scheufelen hat ein erhebliches Handicap: ihre Rolle bei der Finanzkrise der Dualen Hochschule. Dass die DHBW in eine schwere Schieflage geriet, wird maßgeblich ihr angekreidet. Ein viel zu hoher Anteil der neu ausgehandelten Staatsmittel wurde in feste Stellen gesteckt – mit der Folge, dass das Geld anderswo dramatisch fehlte. Allenthalben wurde gerätselt, wie der sonst hoch geschätzten Juristin ein solcher Fehler unterlaufen konnte. Auch sonst gibt es in einem aktuellen Prüfbericht schlechte Noten für Finanzmanagement und Kontrollmechanismen an der DHBW; an mehreren Stellen wird die Kanzlerin explizit genannt. Von Meister-Scheufelen war bisher keine Stellungnahme zu der Kritik zu erhalten. Offiziell wurde sie zum Abschied mit reichlich Lob bedacht, doch intern herrschte darüber auch Erleichterung.

Für den Posten beim Rechnungshof wäre ihre Rolle in der DHBW-Krise fraglos eine Hypothek. Wie könne man jemandem zum obersten Finanzkontrolleur machen, wird gefragt, der gerade solche massiven Finanzprobleme mit angerichtet habe? Das gehe allenfalls nach einer gewissen Abklingzeit. Vielleicht auch deshalb vermeidet die CDU derzeit jedwede Festlegung zu der Kontrollbehörde. Er wisse nicht einmal, wann die Amtszeit Mundings genau ende, behauptete Parteichef Strobl dieser Tage vor Journalisten. Schon daran sehe man, dass ihn die Personalie noch gar nicht beschäftige; bisher habe er darüber „mit niemandem gesprochen“. Sollte sich das ändern, fügte Strobl hinzu, werde er aber auch nicht darüber reden – aus Respekt vor dem amtierenden Chefprüfer.