Mit Verena Bentele steht seit Mai erstmals keine ehrenamtliche, sondern eine hauptamtliche Präsidentin an der Spitze des Sozialverbands VdK Deutschland. Eine eilige Satzungsänderung machte es möglich. Der mitgliederstarke VdK Baden-Württemberg geht dagegen nun gerichtlich vor.

Stuttgart - Seit gut sieben Monaten steht Verena Bentele an der Spitze des Sozialverbands VdK Deutschland. Die frühere Bundesbehindertenbeauftragte startete mit viel Elan in den neuen Job. Mal sprach sie sich für ein höheres Rentenniveau aus, mal für einen höheren Mindestlohn. Das war nicht unbedingt originell, doch immer wieder stieß die zwölffache Siegerin bei Paralympischen Winterspielen auch deshalb auf ein reges Echo, weil sie ein absoluter Medienprofi ist. Und während bisher stets gesetzte ältere Herrschaften für den mit 1,2 Millionen Mitgliedern bundesweit mächtigsten Sozialverband sprachen, stand da nun eine gewinnende junge Frau des Jahrgangs 1982. Blond war plötzlich das neue Grau.

 

Nun aber erhält Bentele, die von Geburt an blind ist, in Tettnang am Bodensee aufwuchs und studierte Literaturwissenschaftlerin ist, ihren ersten schweren Dämpfer im neuen Amt. Vor zehn Tagen hat der baden-württembergische Landesverband des VdK nach Informationen unserer Zeitung vor dem Landgericht Berlin Klage gegen den Bundesverband erhoben. Im Kern richtet sich die Klage dagegen, dass der Sozialverband erstmals in seiner Geschichte von einer hauptamtlichen Präsidentin geführt wird. Benteles Vorgängerin Ulrike Mascher (SPD), unter Gerhard Schröder Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, hatte den Job gegen eine geringe Aufwandsentschädigung noch ehrenamtlich übernommen.

Der Südwest-VdK vertritt die Auffassung, dass die Mitte Mai auf dem VdK-Bundesverbandstag in Berlin zeitgleich zur Wahl Benteles beschlossene Satzungsänderung, derzufolge der Spitzenposten nicht mehr ausschließlich ehrenamtlich versehen wird, sondern künftig auch hauptamtlich vergütet werden kann, rechtsunwirksam ist. Auch der Beschluss des VdK-Bundesvorstands vom 25. September, wonach die Präsidentin eine hauptamtliche Bruttovergütung von 120 000 Euro im Jahr erhält, ist aus Sicht des Südwest-VdK rechtsunwirksam. Angestrebt wird deshalb, dass beide Beschlüsse vom Landgericht Berlin für nichtig erklärt werden.

Unmut beim VdK im Südwesten ist groß

Roland Sing, VdK-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, hatte die Neuregelung an der VdK-Spitze bereits im Vorfeld des Bundesverbandstags heftig kritisiert. „Wenn an der Spitze Geld bezahlt wird, dann wird die ganze ehrenamtliche Struktur des Verbands infrage gestellte“, erklärte er damals. Tatsächlich sind die Vorstände des VdK im Bund und auf Landesebene seit jeher ehrenamtlich tätig. Dabei soll es auch bleiben. Eine Ausnahme gibt es laut der jüngst veränderten Satzung eben nur für den Präsidenten als Vorsitzenden des Bundesvorstands – es ist eine Art Lex Bentele.

Der Unmut darüber im Südwesten ist groß. „Wenn man von einem 70 Jahre alten Prinzip abweicht, dann sollte man das länger diskutieren, auch an der Basis“, sagte VdK-Landesgeschäftsführer Hans-Josef Hotz unserer Zeitung. Man könne einen Verband mit mehr als einer Million Mitgliedern „nicht über Nacht in eine völlig andere Richtung drehen“. Dafür stehe der Südwest-VdK als Mitglied des VdK Deutschland mit in der Verantwortung.

Er habe durchaus Verständnis dafür, dass Verena Bentele ihren hauptamtlichen Job nicht umsonst machen könne, so Hotz. Sie sei mit ihren 36 Jahren noch jung und im Unterschied zu ihren Amtsvorgängern, die bereits im Rentenalter waren, nicht anderweitig abgesichert. Es sei grundsätzlich auch möglich, in einem gemeinnützigen Verband den ehrenamtlichen Vorsitzenden hauptamtlich zu vergüten. Dafür müssten aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, was der Bundesverband trotz Hinweisen unterlassen habe.

VdK-Präsidentin Bentele äußert sich nicht

VdK-Präsidentin Bentele wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Man habe von der Klage gehört, die Klageschrift sei aber vom Landgericht Berlin noch nicht zugestellt worden, ließ sie mitteilen. Bereits Mitte Oktober hatte der Südwest-VdK Bentele darüber informiert, dass man klagebereit sei, zugleich aber auch ein Schiedsgerichtsverfahren zur Diskussion gestellt. Bis zum gestrigen Freitag gab es darauf keine Antwort von Bentele.