Wegen eines umstrittenen Preisaushangs bekommt die Volksbank Reutlingen jetzt Ärger mit der Verbraucherzentrale. Das Institut berechnet Privatkunden derzeit zwar keine Negativzinsen, behält sich aber deren Einführung weiterhin vor.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Verbraucherschützer wollen mögliche Strafzinsen für Sparer abwehren. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg teilte am Dienstag mit, sie habe der Volksbank Reutlingen wegen der Ankündigung von Negativzinsen in ihrem Preisaushang eine Abmahnung geschickt. Man betrachte Negativzinsen für Tages- und Festgeldkonten von Privatkunden als rechtswidrig, erklärte Cornelia Tausch, Vorstand der Verbraucherzentrale. Die Volksbank Reutlingen hatte letzte Woche zwar klargestellt, sie habe „keinerlei Pläne, ‚Normalsparern’ Negativzinsen zu berechnen“. Der umstrittene Preisaushang stand am Dienstag aber noch auf ihrer Website.

 

Das Institut teilte auf Anfrage mit, die Bekanntgabe der Negativzinsen im Preisaushang sei vorab „rechtlich geprüft und für rechtskonform erklärt“ worden. Die anderslautende Einschätzung der Verbraucherzentrale müsse man jetzt „sorgfältig prüfen und bewerten“. Das Institut behält sich weiterhin die Einführung von Strafzinsen „bei neuen Konten und neuen großen Summen“ vor. Hintergrund ist, dass Banken und Sparkassen für ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) seit März 2016 draufzahlen müssen. An Unternehmenskunden reichen die Geldhäuser diese Kosten schon länger weiter. Einzelne Institute haben auch Strafzinsen für reiche Privatkunden mit Einlagen ab 100 000 Euro angekündigt.

Trend zu Gebührenerhöhungen hält an

Normalsparer sind dagegen von zahlreichen Gebührenerhöhungen betroffen. Diesen seit Monaten anhaltenden Trend bestätigt auch eine Umfrage der Unternehmensberatung EY unter 120 Banken. Ein Drittel der Institute hat demnach in diesem Jahr eine Gebührenerhöhung vorgenommen oder bereitet sie vor.

Gleichzeitig werben einzelne Wettbewerber weiterhin mit kostenlosen Girokonten, darunter die Commerzbank. „Während Sparkassen und Volksbanken in ihrer Region meistens Marktführer sind, sieht die Commerzbank jetzt die Chance, Kunden hinzuzugewinnen“, sagt dazu Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehrer an der Frankfurt School of Finance. „Das Girokonto ist der Dreh- und Angelpunkt für weitere Geschäfte, zumal dort wichtige Informationen über Einkommen und Ausgaben des Kunden auflaufen.“ Aus demselben Grund böten auch Direktbanken ihre meist ausschließlich online verfügbaren Konten kostenlos an.

Mehr Transparenz gefordert

Im Vergleich zu diesen Anbietern hätten Genossenschaftsbanken und Sparkassen durch ihre dichten Filialnetze aber höhere Kosten, gibt Faust zu bedenken. Deshalb führe an Kontogebühren für die meisten Institute kein Weg vorbei. Für wenig sinnvoll hält der Bankenprofessor dagegen Gebühren für einzelne Transaktionen oder Buchungsposten: „Das führt zu Intransparenz und einem Gefühl der Abzocke.“

Ganz ähnlich argumentiert der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). „Bei der Vielzahl an Einzelposten wird es sehr schwierig einzuschätzen, wie teuer ein Konto eigentlich ist“, sagte vzbv-Experte Frank-Christian Pauli. Obendrein erschwere die Vielzahl an Gebührenmodellen den Vergleich unterschiedlicher Angebote. „Transparenz ist aber sehr wichtig, damit die Verbraucher Marktdruck ausüben können.“

Einen Überblick über 243 verschiedene Kontomodelle bietet die Stiftung Warentest in ihrem online verfügbaren „Produktfinder Girokonto“. Sie identifiziert darin 23 kostenlose Modelle „ohne Wenn und Aber“, überwiegend von Direktbanken ohne Filialen. Allerdings gibt es weitere 28 Konten, die etwa bei Eingang einer monatlichen Mindestsumme kostenlos sind. Nimmt man Konten mit einer Jahresgebühr von maximal 60 Euro hinzu, so steigt die Zahl der Angebote auf 74.

Banken sehen Nachholbedarf

Im internationalen Vergleich seien die Bankgebühren hierzulande noch immer niedrig, sagt der Branchenexperte Jan Schildbach von der Deutschen Bank. „Die Gebührenstruktur in Deutschland war in der Vergangenheit ausgesprochen kundenfreundlich, weil der Wettbewerb unter den Kreditinstituten sehr hart ist und es viele nicht primär gewinnorientierte Banken gibt. In vielen europäischen Ländern, erst recht in den USA, fallen deutlich höhere Gebühren für Konten, Kreditkarten oder auch Überziehungskredite an.“ Die jüngsten Erhöhungen in Deutschland bedeuteten „eine Normalisierung“. Wegen der niedrigen Zinsen seien die Banken zudem auf neue Ertragsquellen angewiesen.

Zwar konnten die Geldhäuser die sinkenden Kreditzinsen in den vergangenen Jahren noch durch eine Senkung der Einlagenzinsen kompensieren. Viele Kredite werden in Deutschland aber mit langjähriger Zinsbindung vergeben. Die Einnahmen werden also noch für Jahre niedrig bleiben, auch wenn die Banken auf Kundeneinlagen wieder höhere Zinsen zahlen müssen. Die Gebührenerhöhungen seien vor diesem Hintergrund nachvollziehbar, sagt EY-Unternehmensberater Dirk Müller-Tronnier. Sie seien aber kein Allheilmittel: „Das ist nicht die Geschäftsidee der Zukunft.“