Hoch ist die Premieren- und Pointendichte im Stuttgarter Westen: Drinnen im Altstadt-Theater feiert Frl. Wommy Wonder den Neustart, draußen eröffnet am selben Abend Comedian Quichotte die Seebühne. Eine Kolumne über zwei Kämpfer gegen das Seichte.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Im dunkelgrünen Glitzerfummel bittet Frl. Wommy Wonder sein Publikum, das bereits irre ausflippt, noch lauter Gas zu geben im Theater der Altstadt, „damit draußen alle denken, Helene Fischer tritt hier auf“.

 

Wommys Fans lassen spitze Schreie raus, dass man fürchten muss, gleich hebt das Dach ab. Draußen aber hört ein zweites Publikum, das auf der Freitreppe des nahen Feuersees oft lachend sitzt, davon nix – es trägt Kopfhörer beim ersten Abend der kleinen Seebühne, die in der Idylle vor der Johanneskirche einen Traumstart in einer lauen Sommernacht hinlegt.

„Meine Mülltone war im Lockdown öfter draußen als ich“

Zwei Premieren an einem Abend, wenige Schritte voneinander entfernt – juhu, da geht wieder was! Monatelang hat Corona alles verhindert. „Meine Mülltonne war öfter draußen als ich“, sagt Wommy. Jetzt freuen sich Theaterfans, dass sie Kultur gemeinsam erleben können – bei drei Gs. Wofür die drei Gs in Stuttgart stehen? Frl. Wonder sagt es uns: „Gerührt, geschüttelt, genoppert.“

Der Kölner Slam-Poet Quichotte genießt seinen Auftritt auf einem Floss draußen auf dem Feuersee mindestens so wie seine Zuhörerschaft, mit der er via Kopfhörer auf einem Autokino-Kanal verbunden ist. Der 38-Jährige kann’s kaum fassen, dass so viele Schildkröten an ihm vorbeischwimmen.

„Die Zeit schreit nach Lachen und sozialer Verantwortung“

Die Travestie-Lady mit den hohen Hacken drinnen fürchtet, dass es für Künstler in geschlossenen Theatersälen schwierig wird, weil es Menschen nach dem Lockdown in Biergärten zieht – oder zu Open Airs. Bei Wommys Premiere aber ist es so voll, wie es die Platzbelegung in der Pandemie zulässt. Intendantin Susanne Heydenreich freut sich: „Die Zeit schreit nach Lachen und sozialer Verantwortung.“ Unter Verantwortung versteht sie auch die richtige Wahl: „Nomen est omen.“ Laschet ist es für sie nicht.

Drinnen ist man in Sachen Wetter sicher. Draußen musste Rosenau-Chef Michael Drauz dreimal seine „Welle West“, die vom Landesprogramm „Kultur trotz Abstand“ mitfinanziert wird, regenbedingt absagen. Beim vierten Anlauf klappt es. Das Floß ist am Ufer verankert und wird mit Seilen in den See gezogen. Die Fontäne ruht. Lautsprecher nach außen gibt es nicht. Die Sicherheitskräfte haben wenig zu tun. Das Nebeneinander von Kopfhörer-Trägern im abgesperrten Teil und ganz normalen Freitreppenhockern funktioniert. Wer kein Eintritt zahlt, hört nix, schaut mitunter irritiert, was an einem Ort geschieht, für den in der Nacht von Samstag auf Sonntag erneut ein Verweilverbot herrscht.

„Hab’ mich so oft desinfiziert, dass ich nicht mal schmutzige Gedanken hab’“

Jetzt überschneiden sich Termine wieder! Da wie dort wird viel gelacht – da wie dort stehen Kämpfer gegen das Seichte auf der Bühne. Wommy erwähnt, dank Corona habe sie sich so oft desinfiziert, dass sie „nicht mal mehr schmutzige Gedanken“ habe. Als ein junger Kameramann zu ihr nach oben filmt, will sie seinen Jahrgang wissen. „1999“, lautet die Antwort. Darauf das Fräulein: „Ach, so jung, mit 22 fällt man zitternd aus dem Bett – ich zitter auch, hat in meinem Alter aber andere Gründe.“ Wommy macht sich lustig, dass sie keinen „Kaffee schwarz“ mehr bestellen darf, sondern nur „stark pigmentieren Kaffee“. Ballettlegende George Bailey lacht noch hinterher darüber. „Was mit der Sprache wegen angeblichem Rassismus geschieht, ist völlig übertrieben“, sagt der US-Amerikaner. Am liebsten hört er, wenn man über ihn schreibt, er sei „dunkelhäutig“.

Quichotte macht Witze über Mario Barth

Auf der Seebühne macht Quichotte Witze über Mario Barth und über sein Gebiss. Seine Zähne seien so schief, dass, wenn er in der WG einen angebissenen Apfel abgelegt habe, man sagte, es müsse ein Tier im Raum sein.

Biss hat der Poet, ebenso Wommy, die für Standing Ovations sorgt. Bis zum 12. September spielt das Fräulein die neue Sommershow „Jetzt aber!“ im Altstadt-Theater. Coronabedingt gibt’s bei ihr keine Pause, mit 90 Minuten ist die Show so konzentriert und so knackig wie lange nicht mehr. Aber jetzt ins Theater!

Infos

Wommys Sommershow
Frl. Wommy Wonder tritt im Theater der Altstadt am Feuersee bis zum 12. September mit dem neuen Programm „Jetzt aber!“ mittwochs bis sonntags auf (um 19.30 Uhr bzw. sonntags um 17 Uhr). Jede Mittwoch und Donnerstag wird die Travestielady von Schwester Bärbel verstärkt. Dazu gibt es jeden Dienstag Sondershows mit Gastkünstlern unter dem Motto „Wommy trifft …“ Karten gibt es bei Reservix oder auf der Homepage www.wommy.de.

Kulturbühne auf dem Feuersee
Weitere Termine auf der Seebühne: 30. Juli Andy Strauß, Julius Fischer am 2. September, Sebastian 23 am 3. September. Karte auf der Homepage der Rosenau.