Nach einer Karriere mit Höhen und Tiefen feiert der Skirennläufer Linus Straßer in Zagreb seinen ersten Weltcup-Sieg im Slalom. Die Liste der Gratulanten ist lang – die Verwunderung beim Sieger ist noch größer.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Zagreb - Erst stieß er ein paar Schreie aus, dann kniete er – mit Tränen in den Augen – im Schnee. Und noch ein paar Minuten später erklärte Linus Straßer, dass das, was da gerade geschehen war, eigentlich gar nicht hätte geschehen dürfen. Denn: „Ich habe mich heute überhaupt nicht gut gefühlt.“ Und: „Mir ist das Feuer abgegangen, mir hat die Angriffslust gefehlt.“

 

Sagte Linus Straßer, der in Zagreb gerade den ersten Weltcup-Slalom seiner Karriere gewonnen hatte.

Man konnte dem 28-Jährigen im Zielraum am Fuße des Bärenbergs ansehen, dass er durchaus Schwierigkeiten hatte, das alles zusammenzubringen. Sein schlechtes Gefühl – und den folgenden Traumlauf im finalen zweiten Durchgang. Man sah aber noch etwas anderes: Linus Straßer war überwältigt. Und das war kein Wunder.

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Vor Jahren schon galt der Mann aus München als Toptalent, gerade im Slalom. Er sollte einmal den Platz von Felix Neureuther einnehmen. Als Führungsfigur im Team, aber auch als einer, der durchaus mit einem guten Spruch und einer lockeren Art zu glänzen weiß.

Die Gefühle spielen verrückt

Ebenfalls in Zagreb holte Straßer 2015 erstmals Weltcup-Punkte. vor drei Jahren gewann er dann sogar das Parallelrennen in der Stockholmer Innenstadt – doch der veritable Durchbruch ließ auf sich warten. Bis jetzt. Zwar warfen Straßer auch vor dieser Saison Verletzungsprobleme am Oberschenkel weit zurück. Doch schon in den vergangenen Wochen deutete er an, dass er sein Potenzial wieder auszuschöpfen vermag. Sechster war er zuletzt in Madonna di Campiglio geworden. In Zagreb lag er nach dem ersten Durchgang auf Rang acht, mit einem bärenstarken zweiten Lauf setzte er sich zunächst an die Spitze – und durfte dann zusehen, wie ein Konkurrent nach dem anderen daran scheiterte, seine Zeit zu knacken. Als das Podest sicher war, knallte er vor Freude eine Wasserflasche in den Schnee, wenig später wurde er dann zwischen den Österreichern Manuel Feller (2. mit zehn Hundertstelsekunden Rückstand) und Marco Schwarz (0,16 Sekunden zurück) als Sieger gefeiert. „Ich kann es noch gar nicht realisieren“, stammelte Straßer schier fassungslos, „meine Gefühle spielen verrückt.“ Seine besten Saisonplatzierung fuhr auch Sebastian Holzmann auf Rang 17 ein.

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Linus Straßer dagegen blickte zurück auf die vielen Versuche, die er unternommen hatte, das Glück zu erzwingen – und resümierte: „Wenn man es am meisten will, dann passiert es nicht.“ Womöglich hat das schlechte Gefühl von Zagreb den Triumph nun sogar begünstigt. Ohne die ganz großen Erwartungen an sich selbst merkte er während der Fahrt, dass er „eine Flow drin“ habe, der Ski lief, er rutsche auf der ramponierten Piste wenig – und „im Ziel hab ich gewusst, dass das nicht schlecht war“. Nach bangen Minuten auf dem roten Sessel des Führenden wusste er: Es war sensationell. „Wenn man es passieren lässt, passiert es“, versuchte er eine Erklärung.

Emotionale Worte von Fritz Dopfer

Als „wahren Helden“ feierte Thomas Dreßen, der verletzte Abfahrer, Straßer im Internet. Der Deutsche Skiverband bejubelte den „Schneekönig“. Und Riesenslalom-Spezialist Stefan Luitz nannte ihn den „Mann des Tages“. Der darüber hinaus eine über zweijährige Durststrecke beendete.

Im November 2017 hatte Felix Neureuther („Das war super, wirklich extrem gut.“) zuletzt für einen deutschen Slalom-Sieg sorgen können. Den ersten deutschen Saisonsieg nahm auch DSV-Alpinchef Wolfgang Maier beinahe euphorisch zur Kenntnis: „Wir haben jahrelang gewusst, wie schnell er ist und wie cool er Ski fahren kann. Jetzt hat er es endlich auch im Rennen gezeigt.“ Ein „Hammer“ sei dieser Erfolg, meinte Maier, der ja auf der Suche ist nach neuen Helden.

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Neureuther ist schließlich längst zurückgetreten. Ebenso wie Fritz Dopfer, der für den ersten Erfolg Straßers die vielleicht schönsten Worte fand: „Wie oft bist du uns in den Trainings um die Ohren gefahren? Wie oft dachten wir, dass du ein Weltcup-Rennen gewinnen wirst? Wie oft hast du’s probiert, warst verkrampft und hast nicht annähernd dein Potenzial abrufen können? Aber hey – du bist durch Höhen und Tiefen gegangen und stehst so was von verdient am obersten Podest“, sagte der WM-Zweite von 2015 – und hatte noch einen Rat parat: „Jetzt geht der Spaß erst so richtig los – mach weiter so.“