Weltweit werden Journalisten und Journalistinnen bedroht – auch in Deutschland, beklagt StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)

Stuttgart - Wenn am Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, diesem Grundrecht gedacht wird, schweift der Blick normalerweise weit über die Landesgrenzen hinaus. In China, Russland, vielen arabischen Ländern und zunehmend auch im Osten Europas werden unliebsame Meinungen unterdrückt, staatsferne Medien geschlossen, kritische Journalistinnen und Journalisten bedroht, inhaftiert oder gar getötet. Routiniert blicken wir in die Ferne. Übersehen wird dabei, dass auch die Pressefreiheit in Deutschland selbst vielleicht nicht existenziell bedroht ist, aber zumindest angegriffen wird.

 

Wer sich als Journalistin oder Journalist zu erkennen gibt, ist auf den Demonstrationen der sogenannten Querdenker potenziell Zielscheibe von Gewalt – und zu erkennen gibt man sich schon oft allein durch das Tragen einer Maske. Nach Angaben des ECPMF (European Center for Press And Media Freedom) in Leipzig hat sich die Zahl der tätlichen Angriffe auf Journalisten in Deutschland im vergangenen Jahr verfünffacht. 49 der 69 Angriffe gegen Medienschaffende haben sich im Umfeld solcher Versammlungen ereignet. Hinzu kommen unzählige Beleidigungen und Bedrohungen im Internet, nicht nur, aber auch im Umfeld der Corona-Leugner. Deutschland ist auch da kein Einzelfall: auch in einigen Nachbarländern sind diese Angriffe zu beobachten.

Bis zu 20 Prozent der Bevölkerung stehen der Presse ablehnend gegenüber

Nach Angaben von Martin Hoffmann, Forscher am ECPMF stehen – getrieben durch große Empörungsbewegungen wie Pegida, die Gelbwesten in Frankreich oder eben die „Querdenker“ – etwa zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung der Presse ablehnend bis feindlich gegenüber. Demgegenüber zeigt eine Langzeitstudie der Uni Mainz, dass 2020 das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Zuverlässigkeit insbesondere traditioneller Medien gegenüber den Vorjahren erheblich gewachsen ist. Besonders regionale Tageszeitungen genießen sehr hohes Vertrauen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Medien unterscheiden zwischen einerseits wirren, mitunter aber auch sehr gefährlichen Verschwörungstheorien, die zu einer Delegitimierung des Staates führen können, und andererseits berechtigter Kritik an der Corona-Politik in Bund und Ländern. Der Staat greift in diesen Pandemiezeiten massiv in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger ein. Insofern ist eine kritische Würdigung nicht nur gewünscht, sondern zwingend. Ob die Corona-Maßnahmen angemessen und wirkungsvoll sind, wie lange sie gelten sollen, nach welchen Kriterien sie wieder aufgehoben werden können und müssen – all das muss immer wieder überprüft werden.

Es gibt keine „Einheitsfront der Medien“

Anders als die Querdenker behaupten, gibt es keine Einheitsfront der „Medien“ oder gar einen Schulterschluss mit der Politik. Die „Medien“ haben, in höchst unterschiedlicher Art und Weise, die Politik nicht geschont – weder bei der Beschaffung der Masken noch bei der Beschaffung der Impfstoffe, weder bei der persönlichen Bereicherung einzelner Politiker noch bei dem Wirrwarr rund um die Ministerpräsidentenkonferenzen.

Meinungs- und Pressefreiheit sind konstituierende Elemente der Demokratie. Das ist der Konsens des westlichen Demokratieverständnisses. Dazu müssen aber die Journalistinnen und Journalisten, die dazu beitragen, auch geschützt werden – nicht gegen Kritik, aber gegen Drohungen und tätliche Angriffe. Und das nicht nur in fernen Ländern, sondern auch in Deutschland.