Eine Pride-Month-Aktion an einem Gymnasium in Filderstadt sucht ihresgleichen. Die Schüler sind selbst überrascht von der Resonanz. Doch der Weg bleibt steinig.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Filderstadt - Anfangs waren es drei Schülerinnen und Schüler des Filderstädter Elisabeth-Selbert-Gymnasiums, die sich immer wieder mal getroffen haben, um den Austausch über Geschlechterrollen, Identitäten und ihr eigenes Befinden anzuregen, im Laufe des vergangenen halben Jahres wurden es zehn. Daraus ist in dieser Woche nun eine Pride-Month-Aktion geworden, die zeigt, dass sich die Gymnasiasten in einem Diskussionsprozess bewegen, der große Teile dieser Gesellschaft beschäftigt. Das sichtbarste Zeichen: Eine Regenbogenfahne befindet sich nun über dem Haupteingang der Schule. Und die wird dort wohl noch bis zum Ende dieses Schuljahres hängen bleiben.

 

Ein Erfolg, mit dem niemand gerechnet hat: „Wir haben Buttons und Süßigkeiten vorbereitet für diese Woche, um zum Austausch über unsere Pride-Month-Aktion einzuladen. Und wir gingen davon aus, dass wir dies die Woche über verteilen können. Doch die waren fast alle schon am ersten Tag weg“, berichtet die Lehrerin Isabell Mohr, federführend für diese Aktion und die Gesprächsrunden davor. Und übers Internet gibt es per QR-Code noch viele Informationen, von den Schülerinnen und Schülern zusammengetragen und selbst verfasst.

Das Problem mit den klassischen Geschlechterrollen

Darin schildern sie ihre persönlichen Probleme mit den klassischen Geschlechterrollen, wie sie ihre Sexualität anders erleben, als dies üblicherweise vermittelt wird. Wie sie eben entdeckten, dass sie beispielsweise schwul oder lesbisch sind. „Pride“ steht dabei für den Stolz, den Mut, sich dazu öffentlich zu bekennen. Wie der Christopher Street Day beruft sich Pride Month auf die Unruhen im Juni 1969, nachdem die Polizei im New Yorker Stadtteil Greenwich Village in dem Homosexuellen-Lokal Stonewall Inn eine Razzia durchführte. Doch der Christopher Street Day konzentriert sich meist auf einen Tag, Pride Month, auch bekannt als Gay Pride, geht über einen längeren Zeitraum.

Mohr: „Wir haben das nie als AG angesetzt, sondern rein als informellen Gesprächskreis. Das wollen wir auch beibehalten.“ Doch jetzt sind die Aktivistinnen und Aktivisten erst mal vom Erfolg ihrer Aktion überwältigt. „Die Reaktionen darauf waren bisher vor allem positiv“, so Mohr, „auch aus dem Lehrerkreis gibt es viel Zuspruch. Dieses Gymnasium ist eine Schule der Vielfalt“. Vergleichbare Aktionen an anderen Schulen sind ihr nicht bekannt. Ausgenommen sind andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Berlin, in denen solche Fragen, die hier in Filderstadt die Gymnasiasten nun offen formulierten, Teil des Bildungsplans sind.

Der schwierige Weg zur selbstbestimmten Sexualität

Auch wenn diese Aktion zur Sichtbarkeit und zur Toleranz gegenüber Vielfalt in Geschlecht und Sexualität ein großer Erfolg ist, bleibt der Weg lange und steinig. Die etwa 600 selbstgefertigten Buttons sind verteilt, die nicht gezählten Süßigkeiten ebenso, doch der Weg der einzelnen, selbstbestimmt zu seiner Sexualität zu finden und dies zu leben, bleibt mühsam.

Da bleiben die selbst erarbeiteten Internet-Seiten, die nun weiter verbreitet werden. Außer Erfahrungsberichten gibt es darauf auch zahlreiche Adressen für Hilfesuchenden. Dazu gehört beispielsweise das Weissenburg-Zentrum mitten in Stuttgart, das gerade sein 25-Jahr-Jubiläum feiert. Auch dort gibt es Gesprächskreise und Fortbildungen sowie Beratungsstunden für Schüler wie für Lehrer. Denn der Gegenwind gegenüber solchen Bewegungen bleibt, auch Enttäuschungen müssen gut bewältigt werden.