Die EU-Kommission will Ein- und Zwei-Cent-Münzen abschaffen. In der Diskussion werden auch Stimmen für die Abschaffung des Bargelds oder zumindest des Kleingelds laut. Zwei Redakteure stellen sich die Sinnfrage – und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Brüssel - Die EU-Kommission will das kleinste Kleingeld, also die Ein- und Zwei-Cent-Münzen, aus dem Verkehr ziehen. Zu teuer für den Gegenwert in der Herstellung, kuriose Kommazahlen bei Produktpreisen würden verschwinden, lautet die Begründung. Ob daraus etwas wird, ist völlig unklar – Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ist beispielsweise dagegen. Dennoch ist die Diskussion, ob Bargeld oder zumindest Kleingeld heutzutage noch zeitgemäß sind, wieder lebendig, wie viele Debattenbeiträge zeigen. Auch in unserer Redaktion herrscht hier keine Einigkeit, wie ein Disput zweier Redakteure zeigt, die sich fragen: Gehört das Rotgeld abgeschafft?

 

Pro: Das Bargeld hat sich überlebt

Die Anhänglichkeit der Deutschen ans Bargeld wird gerne historisch begründet: Mehrere Geldentwertungen in der jüngeren Geschichte und ein Misstrauen gegenüber staatlichen Eingriffen sprechen aus Sicht der Deutschen für das Bargeld, das man in der Hand hat und dessen Nutzung nicht per Datenspur kontrolliert werden kann. Über Generationen weiter gegebene Glaubenssätze à la „Wer den Pfennig nicht ehrt“ und „Bargeld lacht“ haben diesen Humus an letztlich irrationalen Befindlichkeiten weiter gedüngt. Irrational zum Beispiel deshalb, weil gerade die Hyperinflation von 1923 von der Reichsregierung getrieben war und eindrücklich belegt hat, dass Geld das Papier nicht wert sein kann, auf dem es gedruckt ist.

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Faktisch hat sich das Bargeld überlebt: Es ist unpraktisch, wie sich jedes Mal aufs Neue offenbart, wenn man mit einem 50-Euro-Schein vor einem Parkautomaten steht, der nur Münzgeld zurück gibt. Die Lebenszeit, die wir beim Warten an der Supermarktkasse verbringen, während vor uns mühsam die Cent-Münzen aus dem Geldbeutel geklaubt werden, mag man gar nicht hochrechnen. Und schließlich freuen sich über die Möglichkeit anonymer Geldtransfers vor allem die bösen Buben dieser Welt.

Deshalb müssen die Möglichkeiten bargeldlosen Zahlungsverkehrs so schnell und umfassend wie möglich ausgebaut werden. Nichts ist bequemer, als die Geldkarte auf das Gerät zu legen und die Geheimzahl einzugeben. Außerdem: Die Geldströme sind in Zeiten der Globalisierung schon lange keine Privatsache mehr. Je genauer der Zahlungsverkehr kontrolliert wird, desto weniger kann aus dem Ruder laufen.

Contra: Zwei Bier, stimmt so!

Keine Träne gehört den geschwindigkeitsunbegrenzten Autobahnen nachgeweint, wenn das Tempolimit kommt. Greta Thunberg ist super und wir sollten alle weniger Fleisch essen. Autos gehören nicht in moderne Innenstädte. Nur um vorneweg klarzustellen, woher der Wind hier nicht weht. Dennoch geht die Abschaffung des Klimpergelds an der Lebensrealität vieler vorbei.

Es geht nicht um Nostalgie, Angst vor Veränderung oder Wertverlust – wer die hat, soll sich Gold kaufen. Für wen es ein echtes Problem wäre, sind die Obdachlosen. In den Hüten sind auch immer Ein- und Zwei-Cent-Stücke. Das sieht man häufig, wenn man mit – wie es sich gehört – ab 50 Cent aufwärts ein bisschen helfen will. Aber nicht nur für die Obdachlosen, auch für die anderen sozial ganz Schwachen ist es nicht nur eine Redewendung, dass sie jeden Cent umdrehen müssen.

Wer mal in einer Eckkneipe mit den Leuten gesprochen hat – oder RTL II guckt –, weiß, dass in manchen Familien tagweise rationiert wird, in kleinen Häufchen. Je abstrakter der Geldverkehr wird, desto schwieriger wird es, übrigens für alle, den Überblick zu behalten. Hand aufs Herz: Es fühlt sich einfach anders an, ob man seine neue 300-Euro-Lederjacke mit der Karte bezahlt oder sechs Fünfziger hinblättert.

Nicht ganz so tragisch, aber doch doch etwas unschön ist die Vorstellung, ohne Bargeld in einer Bar zu gehen. „Zwei Bier, stimmt so!“ ist ein halbwegs stilvoller Abgang. „Können Sie den Betrag auf dem Kartenlesegerät bitte auf 8 Euro aufrunden“ ziemlich bescheuert.