Das ist einmalig! Niemand aus dem deutschen Musikgeschäft füllt so zuverlässig die deutschen Großhallen wie Helene Fischer. Am 22. Juli ist sie wieder in Stuttgart. Fischer polarisiert. Lieben oder hassen – wie soll man sich nur entscheiden? Der große Check.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Das macht ihr derzeit keiner nach: Über Monate hinweg schafft es Helene Fischer, durch Deutschlands große Hallen zu touren. Allein in Stuttgart füllte sie Anfang des Jahres sagenhafte fünf Mal die Schleyerhalle. Am 22. Juli ist sie wieder in Stuttgart und bespielt die Mercedes-Benz-Arena. Die Fischer ist längst Kult!

 

Das gilt aber auch im Negativen: Kein deutscher Popstar polarisiert in den Foren und Netzwerken so wie die 33-jährige strahlend blonde gebürtige Deutschrussin. Was spielt sich da nur ab? Warum lässt die Fischer offenbar niemand kalt? Wir fassen zusammen: die fünf wichtigsten Gründe, Helene Fischer zu lieben – und die fünf Gründe, ihre Show zu hassen!

Hier kommt das Schlechte

Fangen wir an mit dem Negativen (keine Sorge, liebe Helene-Fans, das Gute folgt gleich hinterher!):

Nervtöter Eins: ihre Musik. Schlager, Schlager, Schlager. Klar, Schlager ist manchmal ganz schön. Aber hat denn von den Fans noch keiner bemerkt, dass es wirklich fast immer der gleiche Rhythmus, der gleiche Melodienbogen, der gleiche Textschmu ist? Dass der Hit „Achterbahn“ verdammt ähnlich klingt wie „Atemlos“? Eine Fischer-CD zu hören ist, wie vor einer großen Platte mit 48 Fastnachtskrapfen zu sitzen. Und dann isst man einen, und dann noch zwei, und dann noch einen, und dann . . .

Alles über Helene Fischer lesen Sie hier

Nervtöter Zwei: ihre Glätte. Wenn man sie auf der Bühne oder in einer Fernsehshow sieht, wirkt sie wie aus einem dieser amerikanischen Science-Fiction-Filme mit den perfekt gestylten Roboter-Hausfrauen, die reichen Ehemännern ein stets gemütliches Heim garantieren. Weil: singen, tanzen und spezielle Kunststücke machen kann der Roboter nämlich auch! Das, was gute Popmusik wirklich ausmacht, die Ecken und Kanten eines Künstlers, das ist bei der Fischer gerade glatt gebügelt. Sie soll allen gefallen. Das geht dann doch vielen auf den Geist.

Nervtöter Drei: ihre Ohrwürmer. So schön das damals war, als Helene Fischer 2014 auf der WM-Siegerparade der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Berlin „Atemlos“ sang und eine Riesenfangemeinde (und die WM-Helden noch dazu) mühelos den Text mitsingen konnte – inzwischen reicht es, die ersten Takte des Songs anzustimmen, und schon bricht die Hälfte der Menschheit in Stöhnen und Ächzen aus: „Wir können das nicht mehr hören“. Die Fischer-Songs sind so gut kalkuliert, dass sie in unseren Hirnsynapsen festkleben wie Maoam an den Zähnen. Es gibt darum viele, die diese Takte ein für alle Mal von unserer kollektiven Festplatte wieder löschen möchten.

Nervtöter Vier: Florian Silbereisen. Seit zehn Jahren ist der Schlagerstar Fischer mit dem ARD-Showmoderator Silbereisen verbandelt – angeblich, jedenfalls zelebrieren sie das für die Fans quotenträchtig bei Auftritten in allerlei Samstagabendshows. Nachrichten über bevorstehende Traumhochzeiten wechseln sich in der Bunt-Presse atemlos ab mit Nachrichten über Zank und Streit. Womöglich alles mehr PR als Romanze? Es stimmt eben gar nicht, dass die Fischer ihr Privatleben konsequent vor der Öffentlichkeit abschotten würde – ihre Manager steuern das schon sehr genau.

Nervtöter Fünf: ihre Redundanz. Das kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: nicht recht vom Fleck kommen. Seit über einem Jahrzehnt ist Helene Fischer nun im Geschäft, ihre Alben und ihre Shows erreichen ein Millionenpublikum, ihre künstlerischen Qualitäten sind kaum zu bestreiten. Und trotzdem entwickelt sie sich nicht wirklich weiter. Ihre aktuelle CD klingt eigentlich ganz genau so wie ihre CD vier Jahre zuvor. Ist der Massenerfolg denn wirklich so süß? Hat diese Frau so gar keine Ambitionen, außer Seilakrobatik auf der Bühne mal irgendetwas musikalisch Neues zu wagen?

Aber hier kommt schon all das Gute!

Doch genug gehetzt und geschludert. Jetzt folgen die fünf Gründe, der deutschen Popkaiserin viel Lob zu spenden.

Erfolgsfaktor Eins: ihre Musik! Mehr als zehn Millionen verkaufte Tonträger, ihre Alben über Jahre hinweg in den Charts, mehr als 800 000 Besucher bei der Stadion-Tour 2015 – kann man nicht dieser Leistung schlicht auch Respekt zollen? Ist es nicht einfach beeindruckend, wie die Fischer so viele Menschen erreichen, unterhalten, bewegen und begeistern kann? Und wer schon auf ihren Konzerten war, der weiß, es ist ein sehr buntes Publikum, von recht jung bis recht reif, quer durch viele soziale Schichten. Hier wird mitgesungen, gefeiert, getanzt, geknutscht. Helene Fischer-Konzerte machen gute Laune – es sei denn, man gefällt sich in seiner artifiziellen griesgrämigen Kennerschaft-Attitüde.

Erfolgsfaktor Zwei: ihr Können! Helene Fischer ist als Showstar perfekt ausgebildet, ihre Stimme kann jederzeit auf elektronische oder digitale Unterstützung verzichten, ihre Musikalität ist enorm, mühelos kann sie verschiedene Stile bedienen. Sie ist eben keineswegs nur eine der vielen Schlagersänger auf dem Ballermann-Ticket. Sie ist eine der ganz wenigen deutschen Entertainer in der Tradition einer Caterina Valente oder eines Udo Jürgens.

Erfolgsfaktor Drei: ihre Shows! Hier steht nicht nur einfach jemand weit vorn auf der Bühne, und hinter ihm blinkert es auf der Videoleinwand. Helene-Fischer-Konzerte sind nicht einfach nur Musik, sondern Ereignis, Event. Gesang, Tanz, Akrobatik vereinen sich zu kleinen Akten wie bei einem Theaterabend. Da wird es auch über zwei, zweieinhalb Stunden nie langweilig. Und nebenbei stellt man auch noch fest: Nirgendwo sieht man so nette Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne wie bei der Fischer – und sie sind aller immer so angenehm luftig gekleidet (klar, sie sollen ja nicht unnötig ins Schwitzen kommen . . . ).

Erfolgsfaktor Vier: ihr Potenzial! Auch, wenn das aktuelle Album vom vergangenen Frühjahr nicht viel Neues gebracht hat, die Fischer hätte es zweifellos drauf. Schlager wird immer ihre Basis sein, aber von da aus ginge es mühelos auch in andere Popmusikregionen. Man hört das, wenn sie in ihren Shows die Songs anderer Größen covert. Die Frau ist ja gerade mal 33 Jahre alt – und hat hoffentlich noch eine lange Künstlerlaufbahn vor sich.

Erfolgsfaktor Fünf: ihr Lebensgefühl! Der Fischer-Erfolg hängt auch damit zusammen, dass sie mit ihrem Programm einen Nerv unserer Zeit trifft. Auch, wenn das Jammern und Quaken in unserer Gesellschaft und ihren Netzwerken zum allgemeinen Volkssport geworden ist, insgeheim wissen wir ja doch, wie verdammt gut es uns mit unserer Wirtschaft und unter lauter friedlichen Nachbarn eigentlich geht. Es gibt schon Grund genug, wenigstens ab und zu auch mal einen Zug durch die Nacht zu machen, ohne ängstlich nach links oder rechts schauen zu müssen, wer da gerade mal wieder jedes Singen verbieten will: „Wir zieh’n durch die Straßen und die Klubs dieser Stadt / Das ist unsre’ Nacht, wie für uns beide gemacht.“ Die Fischer singt dazu einen Song, der inzwischen laut jüngster Umfrage zu den bekanntesten deutschen Liedern überhaupt zählt, noch vor „O Tannenbaum“: „Was das zwischen uns auch ist, / Bilder, die man nie vergisst. / Und dein Blick hat mir gezeigt, / das ist unsre’ Zeit.“