Seitdem ein Gebäude im Industriegebiet Wangen, das hauptsächlich von Bands zum Proben genutzt wird, verkauft worden ist, hängt dort der Haussegen schief. Viele Bands fürchten um ihre Zukunft.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Für viele Musiker ist ihre Kunst eine brotlose. Darum ist es für Bands, die nicht hauptberuflich davon leben können, wichtig, bezahlbare Probenräume zu finden. Genau das war 60 Bands in einem Gebäude an der Straße Heiligenwiesen, unweit der Bühne des Live-Clubs LKA-Longhorn, gelungen. Die erfolgreichsten von ihnen sind selbst bereits im Club aufgetreten. Im Industriegebiet in Wangen konnten die Bands für weniger als sieben Euro pro Quadratmeter proben – 20 Jahre lang. Seit die Immobilie ihren Eigentümer gewechselt hat, ist ihre Zukunft ungewiss. Im sogenannten Künstlerhaus ist ein heftiger Streit entbrannt.

 

Aushänge hat es hier früher nicht gegeben. Doch seit der Eigentümer Dzevad Softic heißt, gehören sie für die Bands, die hier Musik machen, dazu. Ob der Investor droht, einen Sicherheitsdienst zu engagieren, um für Ordnung zu sorgen, die Schlösser auszutauschen oder den Vertrag mit seinem Mieter Andreas Plattner – bei dem die Bands zur Untermiete eingemietet sind – für nichtig zu erklären: Es weht ein neuer Wind.

„Viele von uns glauben, dass Herr Softic uns in Wahrheit gar nicht hier behalten möchte“, sagt Birgit Bräckle, die mit einer der Bands im Künstlerhaus probt. Einige von ihnen hätten bereits das Handtuch geworfen und suchten anderswo nach neuen Räumlichkeiten. Dzevad Softic dementiert das zwar auf Nachfrage unserer Zeitung: „Wir wollen niemanden vor die Tür setzen.“ Doch er lässt keinen Zweifel daran, dass sich an den Konditionen einiges ändern wird. Sein Mieter Plattner „pokere“, wenn er sich gegen eine vorzeitige Änderung seines Vertrags stelle, der im September ohnehin ausläuft. „Es gibt eine große Nachfrage für meine Räume. Fitnessstudios, Fotostudios, oder Kampfsportstudios“, sagt Dzevad Softic. Und die wären bereit, deutlich mehr zu bezahlen.

Einstweilige Verfügung eingereicht

In der Tat liegt das Künstlerhaus in Wangen aktuell noch weit unter dem Mietpreisspiegel. In einem Aushang erklärt Eigentümer Softic: „Um das Objekt weiterhin erhalten zu können, sind wir gezwungen, einen Preis von sieben Euro plus Nebenkosten zu verlangen.“

Ende Februar hing dann dieser Aushang im Flur: „Der Vermieter kündigt Ihnen den Mietvertrag (. . .) mit sofortiger Wirkung.“ Und weiter: „Sofern Sie den Abänderungen des Vertrags unter den vorgenannten Bedingungen zustimmen, bitten wir Sie, die beiliegende vertragliche Vereinbarung (. . .) in unsere Kanzleiräume zu übersenden.“ Falls die Bands der Mieterhöhung nicht zustimmten, hätten sie die Räumlichkeit binnen weniger Wochen zu verlassen.

Softic beruft sich dabei auf sein Recht der Änderungskündigungsmöglichkeit, das ihm als Hauseigentümer zustehe. Andreas Plattner, der die Räume untervermietet, hat über seinen Anwalt eine einstweilige Verfügung gegen Softics Pläne eingereicht. „Softics Verhalten ist rechtswidrig“, ist Plattner überzeugt. Die Anwälte beider Seiten schicken einander ein Schreiben nach dem anderen. Gerichtlich entschieden ist noch nichts.

Kritik an „willkürlichen“ Mieten

Was gerade passiert, hat auch eine längere Vorgeschichte. So hat Softic ein Optionsrecht für Plattner, das diesem eine Übergangsfrist von drei Monaten einräumte, zwar unterschrieben – und das vor laufenden Kameras in einem Beitrag des Südwestrundfunks (SWR) sogar mit Handschlag bekräftigt. Wenig später verschickte er aber die Rundmail, in der er die sofortige Kündigung bekannt gab. Dzevad Softic macht kein Hehl daraus, dass ihm die Bank im Nacken sitzt, bei der er sich Geld geliehen hat, um das Gebäude zu erwerben. „Da bin ich auch gezwungen, neue Verträge zu machen“, räumt er ein.

Den größten Teil – etwa 80 Prozent beziehungsweise rund 1500 Quadratmeter – der Immobilie hat Andreas Plattner angemietet. „Wenn man nur eine Privatperson als Mieter hat, die solche Anteile hält, ist das auch ein Risikofaktor“, sagt Dzevad Softic.

Er kritisiert: „Die Mieten sind völlig willkürlich angelegt. Manche Mieter müssen außerdem Nebenkosten bezahlen, andere nicht.“ Letzteres gelte für die Mieter in den Kellerräumen, die Andreas Plattner angeblich laut Vertrag nicht mal angemietet habe.

Ganz unrecht damit, dass Andreas Plattner das Künstlerhaus etwas unkonventionell verwaltet, hat Dzevad Softic offenbar nicht. „Die Räume habe ich mit Schritten ausgemessen“, sagt Plattner selbst. Und auch sonst sei er für einen lockeren Umgangston und eine lässige Atmosphäre.

Gegenseitige Vorwürfe

Plattner sieht sich eher als ehrenamtlichen Unterstützer der Künstlerszene denn als Unternehmer, der irgendwelche Rendite mit seinem Projekt – dem Künstlerhaus –, erzielen wolle. Hauptberuflich arbeitet er als Fahrradkurier – er betont, dass er sich „nie an den Musikern bereichern würde.“ Softic behauptet das Gegenteil: Plattner habe die Immobilie verkommen lassen.

Ob dieser Vorwurf nun stimmt oder nicht: Softic hat bereits angekündigt, dass spätestens im September für einige Bands Endstation sein wird. „70, 80 Prozent scheinen anständig zu sein“, sagt er. Auf den Rest treffe das nicht zu: „Die lassen ihren Müll liegen, saufen und kiffen in den Probenräumen.“ Für Künstler keine ganz unalltäglichen Verhaltensweisen.