Der Golf ist das wichtigste Produkt des größten deutschen Industriekonzerns VW. Ausgerechnet hier hakt es in der Fertigung weiter beträchtlich. Der Betriebsrat ist alarmiert - und sieht schwere Versäumnisse des Vorstands.

Wolfsburg - Die andauernden Produktionsprobleme beim neuen Golf 8 führen zu heftigem Unmut im Betriebsrat und in Teilen der Belegschaft von Volkswagen. Von den ursprünglich mehr als 100 000 geplanten Einheiten des wichtigsten Modells seien während des Anlaufs im vergangenen Jahr gerade einmal knapp 8400 Stück im Stammwerk Wolfsburg fertiggestellt worden. Diese Zahlen nannte die Mitarbeitervertretung am Donnerstag in der internen Firmenzeitung „Mitbestimmen“. Hauptgrund seien Software- und Elektronik-Störungen.

 

Das Unternehmen hatte bereits von einer „flachen Anlaufkurve“ beim Golf gesprochen - in den Griff bekommt man die Schwierigkeiten offenbar noch nicht. Betriebsratschef Bernd Osterloh sieht die Verantwortung dafür nicht in der Belegschaft, sondern vor allem beim Führungspersonal: „Hier wollten überehrgeizige Vorstände zu schnell zu viel Technik in ein Fahrzeug stopfen und sind damit gescheitert.“ Das Management erklärte: „Dass wir beim Anlauf mit Herausforderungen zu kämpfen haben, war bekannt.“ Daher seien besondere Arbeitsgruppen eingerichtet worden. Die Produktion werde schrittweise hochgefahren. Daher habe man auch den Golf 7 noch etwas länger laufen lassen.

Stückzahlen seien ein Trauerspiel

Nach Einschätzung des Betriebsrats hingegen ist der Start der 8er Auflage missraten. Die bisherigen Stückzahlen seien ein Trauerspiel. Osterloh sagte, nach Kollegengesprächen habe er zudem den Eindruck: „Einige Vorgesetzte machen einen enormen Druck auf uns Beschäftigte. Es ist doch klar, dass so ein Verhalten krank machen kann.“

Derlei Worte sind für VW-Verhältnisse, wo Betriebsrat und Leitung im Sinne eines „Co-Managements“ oft einvernehmlich handeln, ungewöhnlich scharf. Mit Blick auf die „soziale Kompetenz“ einiger Manager rund um den schleppenden Golf-Anlauf meinte Osterloh: „Viele haben das, manche aber auch nicht. Wer Druck von oben nach unten einfach weitergibt, dem fehlt diese Kompetenz.“ Man sei „entsetzt, wie nachlässig und schwach der Vorstand weit vor dem Anlauf das ganze Projekt aufgestellt hat“. Erwartet werde nun „ein klares Wort von ganz oben“ und die Übernahme von Verantwortung durch das Management.

Zwei riesige Projekte zur selben Zeit

„Die Transformation ist eine der am schwierigsten zu bewältigenden Aufgaben, der sich die ganze Autoindustrie stellen muss“, hieß es aus dem Konzern. Mit dem Golf 8 und dem Ausbau der Elektro-Modellpalette seien außerdem zwei riesige Projekte zur selben Zeit zu stemmen.

Berichte über eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit bestimmter Elektronik- und Software-Komponenten in der Vorbereitung des neuen Golfs hatte es bereits im vergangenen Frühjahr gegeben. Mitarbeiter erklärten nun, dass abgesehen davon in der Regel alles in Ordnung sei - doch bei der steigenden Vernetzung sind digitale Technologien unverzichtbar. VW wirbt auch für entsprechende Sonderausstattungen.

Das Unverständnis bei Händlern und Kunden wachse, betonte Osterloh. So könnten stark nachgefragte Antriebe oder Farben nach wie vor nicht geliefert werden. „Wie kann es sein, dass der Golf 8 seit Juli produziert wird und immer noch nicht mit einem Basismotor im Angebot ist?“ Teurere Modelle wie GTD, GTI und R blieben vorerst aus. Das Unternehmen erklärte: „Wir glauben, dass wir mit dem Golf ein Auto gebaut haben, das von Kunden und Handel sehr gut angenommen wird.“

Job-Risiken befürchtet

Beim zentralen VW-Projekt des laufenden Jahres, dem Marktstart des neuen E-Autos ID.3, gibt es ebenfalls Verzögerungen. Der in Zwickau hergestellte Wagen soll - zusammen mit dem bald anlaufenden Elektro-SUV ID.4 - noch 2020 starten. Beide Fahrzeuge begründen die vollelektrische ID-Familie, in die Milliarden-Investitionen fließen und die der Kern des künftigen Modellangebots in der Ära der E-Mobilität werden soll. Offiziell hatte Volkswagen zum ID.3 jüngst bekräftigt, man sei im Plan und werde im Sommer so weit sein.

Beim bisher noch wichtigsten Volumenmodell sieht Osterloh auch Job-Risiken, sollten die Probleme anhalten. „Wir müssen jetzt alle zusammen dafür sorgen, dass der Golf 8 endlich auf Kammlinie kommt. Ich fordere aber schon jetzt, dass dieser Anlauf noch einmal genau untersucht wird und dass die Verantwortlichen im Vorstand für die Software-Fehler und die Verzögerungen benannt werden. Wer so mit dem Golf spielt, spielt auch mit den Arbeitsplätzen der Beschäftigten.“