Hausfrauen, Kinder, eigene Mitarbeiter: Unternehmen setzen bei eigenen Produkttests auf ganz verschiedene Meinungen. Wir haben uns bei vier bekannten Konsumgüterherstellern aus dem Südwesten umgehört.

Stuttgart - Die Stellenausschreibung des italienischen Süßwarenherstellers Ferrero für Nutella-Testesser schlägt seit einigen Tagen Wellen im Internet. Dabei ist es gar nicht unüblich, dass Konsumgüterhersteller ihre Waren von Personen testen lassen, die keine ausgewiesenen Experten sind, bevor sie in die Regale kommen. Wir haben vier Hersteller aus dem Land befragt, wo sie ihre Probanden herbekommen und wie die Tests ablaufen.

 

Ritter Sport setzt auf Hausfrauen

Eines möchte Thomas Seeger, der Leiter der Rechts- und PR-Abteilung von Ritter Sport, vorneweg klarstellen: Der Schokoladenhersteller suche keine neuen Tester! Vor Jahren habe ein Magazinbeitrag über die hauseigenen Testverfahren eine Flut von Anfragen bei dem Mittelständler ausgelöst. „Die Autoren hatten den Artikel leider mit dem falschen Hinweis versehen, Interessenten könnten sich gerne bei uns melden“, so Seeger. „Wir bekamen Tausende Anrufe und Briefe aus der ganzen Republik, sogar aus Helgoland.“ Hartnäckige Interessenten wollten sich nicht mit dem Hinweis begnügen, man müsse vor Ort in Waldenbuch leben und mehrmals in der Woche für wenige Stunden zum Testen vorbeikommen. „Die fragten, wieso wir ihnen die Testwaren nicht einfach zuschicken könnten“, erinnert sich Seeger.

Die 15 Damen, die die verheißungsvolle Aufgabe in Waldenbuch ausüben, seien teils seit mehr als 20 Jahren dabei. Es handle sich vor allem um Hausfrauen, die nebenberuflich für Ritter arbeiten. Von einem „Zuckerschlecken“ könne keine Rede sein, dafür sei die Angelegenheit viel zu ernst: „Testen heißt nicht schwelgen im Schokoparadies“, erklärt der Firmensprecher. Bei den Tests gehe es im Unterschied zu größeren Testreihen, die der Hersteller genauso wie andere Konsumgüterproduzenten an externe Institute vergibt, nicht nur darum, ob eine Schokolade schmeckt.

Die Probandinnen der kleinen Testreihe müssten genauer „hinschmecken“ und das Produkt sensorisch beschreiben – dafür werden sie speziell geschult: Sie sollen zum Beispiel erkennen, ob die veränderte Rezeptur einer Joghurtmischung milder, frischer oder säuerlicher schmeckt. Der Test ähnelt einer Weinverkostung, neutralisiert wird mit Wasser oder Weißbrot, die Schokolade darf ausgespuckt oder aufgegessen werden, wobei sich die meisten für Letzteres entscheiden würden. Parfüm sei bei den Testerinnen übrigens tabu. Auch sollten sie vorher keine würzige Mahlzeit mit Knoblauch oder Zwiebeln zu sich genommen haben, das verfälsche das Ergebnis, so Seeger.

Ravensburger schaut Kindern beim Spielen über die Schulter

Der Spiele- und Kinderbuchverlag Ravensburger setzt schon früh in der Entwicklung eines neuen Produktes auf die spätere Zielgruppe: Kinder. Dafür nutzen die Autoren und Spieleredakteure einen Pool von Kindergärten (vormittags) und Grundschulen (in der Nachmittagsbetreuung) in der Region Oberschwaben. Die Kinder spielen mit dem Prototypen, während die Redakteure sie dabei beobachten und sich Notizen machen: Haben die Kinder das Spiel verstanden? Macht es ihnen offensichtlich Spaß, und herrscht eine gute Atmosphäre?

Die Kinder müssten erst mal ihre Scheu überwinden, bis sie direkt und spontan zeigen und sagen, wie ihnen das Spiel gefällt. „Ihr Gefühl, dass ihnen ein Erwachsener über die Schulter schaut, muss verfliegen. Und das kann schon mal zwei Spielrunden dauern“, sagt Anne Lenzen. Die Spieleredakteurin erinnert sich, dass mal ein Prototyp überhaupt nicht ankam. Der gelangweilte Junge meinte zu einem Mitspieler: „Max, wir gehen jetzt mal etwas Richtiges spielen.“ Zu solchen spontanen Kommentaren ermuntere man die Kinder sogar. „Die ungefilterte Reaktion der Kinder ist das Wertvollste an diesem Test“, so Lenzen

Vaude schickt seine Mitarbeiter in die Wildnis

Der Outdoor-Ausstatter Vaude setzt bei Prototypen-Tests auf einen großen Pool aus internen und externen Praktikern. Dazu gehören Sponsoring-Partner wie Mountainbikefahrer und Bergführer genauso wie eigene Beschäftigte und deren Familien. Für längere Touren können sich Vaude-Mitarbeiter Kleidung, Zelte sowie Schlaf- und Rucksäcke ausleihen. Wichtig ist dem Arbeitgeber, dass sie die Produkte möglichst oft waschen und benutzen und einen Bericht über ihre Erfahrungen verfassen. „Dadurch hat das Unternehmen die Chance, aus erster Hand zu erfahren, was verbessert werden kann, wie zufrieden Kollegen mit den Produkten sind und wo die Stärken und Schwächen liegen“, sagt eine Sprecherin. Darüber hinaus gebe es weitere Untersuchungen im Testlabor und in der Klimakammer am Firmensitz in Tettnang.

Weleda lässt Kosmetik-Produkte im Alltag testen

Der Naturkosmetikhersteller Weleda aus Schwäbisch Gmünd schickt Neuheiten „an renommierte Testinstitute, die auf Kosmetika spezialisiert sind“, erklärt ein Firmensprecher. Dort führen Experten physikalische Messungen an den Produkten durch. Die Institute wählen zudem geeignete Probanden aus ihrer Kartei aus oder suchen ähnlich wie Ferrero neue Tester über Anzeigen. Weleda legt fest, worauf ein Produkt getestet werden soll, etwa die Steigerung der Hautfeuchtigkeit, und an welche Zielgruppe es gerichtet ist, zum Beispiel Frauen einer bestimmten Altersgruppe.

Bei den Personen-Tests würden die Probanden einzeln zum Prüfinstitut eingeladen und müssten dann das Hautgefühl und den Duft beurteilen oder ob ein Produkt eine bestimmte Wirkung erzielt. Die Kosmetika haben sie zuvor über einige Wochen bis hin zu mehreren Monaten im Alltag angewendet – dafür werden sie mit einem entsprechenden Vorrat eingedeckt. Getestet werde ausschließlich mit Fertigprodukten, betont der Weleda-Sprecher.