Nicht nur durch seine zwei Kopfballtore beim 5:1 gegen Hannover 96 deutet Ozan Kabak an, dass seine Rekordablöse von elf Millionen Euro gut investiertes Geld sein könnte. Mit dem VfB hat er noch viel vor.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Ehe er seinen jungen Kollegen in die Bundesliga entließ, da hatte Selçuk Inan, der Kapitän von Galatasaray Istanbul, noch einen Tipp für Ozan Kabak parat. Er solle sich nicht wie einst vom Zeugwart des türkischen Rekordmeisters wieder so eine krumme Nummer andrehen lassen. Bei Galatasary hatte Kabak nämlich die 43 auf dem Rücken getragen.

 

Beim VfB ist es dann letztlich die 18 geworden. Und zwar, weil die einstelligen Nummern im Stuttgarter Sortiment schon alle weg waren – und der erfahrene Kapitän Inan nach dem Anruf Kabaks dem Youngster riet, sich dann eben eine Nummer aus der Zehnerreihe herauszusuchen.

Es ist also keine Frage: Auch bei Galatasaray Istanbul, dem nationalen Champion vom Bosporus, werden sie den VfB-Innenverteidiger Ozan Kabak nicht so schnell aus den Augen verlieren. „Bevor ich ging, haben mich alle gefragt: ‚Mensch, traust du dir das auch zu?“, erzählt Ozan Kabak, der ja gerade mal 18 Jahre alt ist. Doch am Ende haben sie ihm dann alle zu dem Schritt nach Deutschland geraten. Der Kapitän Inan tat dies, aber auch der Trainer Fatih Terim. „Er ist für mich eine echte Vaterfigur. Ich verdanke ihm eine ganze Menge“, sagt Ozan Kabak, der mit seinen ersten beiden Profitoren, einem Kopfball-Doppelpack beim 5:1-Sieg über Hannover 96, im sechsten Auftritt für den VfB ganz besonders hat aufhorchen lassen.

Doch bereits das Trikot von Kabaks Gastspiel beim FC Bayern, seiner Premiere in der Bundesliga, das hat der Spieler seinem alten Trainer Terim zugeschickt. „Es war sein ausdrücklicher Wunsch“, sagt der Teenager, der in 60 Partien für sämtlichen Juniorenteams der Türkei gespielt hat – und der mit einer Transfersumme von elf Millionen Euro den Stab von Pablo Maffeo übernommen hat; nun ist er der teuerste VfB-Spieler der Clubgeschichte.

Andreas Beck erweist sich als große Stütze

„Es war Teil meines Karriereplans, ins Ausland zu gehen und mich in einer der großen Ligen zu beweisen“, sagt Kabak, der sich aus einer Vielzahl von Angeboten letztlich für den VfB entschied, weil ihn der damalige Manager Michael Reschke „unbedingt wollte – und weil Stuttgart dafür bekannt ist, schon viele große Spieler herausgebracht zu haben“. Sami Khedira oder Timo Werner nennt Kabak als Beispiele dafür, oder Mario Gomez und auch Andreas Beck, die beide in der Türkei gespielt haben. „Andy hilft mir im Spiel, Training und sonst sehr viel“, sagt Kabak.

Bei Gomez, dem routinierten Leitwolf im Team, gibt es aber offenbar einen ganz kleinen Haken: „Sein Türkisch ist noch schlechter als mein Deutsch“, sagt Kabak mit einem Grinsen. Immerhin hat der 18-Jährige in der Schule vier Jahre lang Deutsch gehabt. Die Grundlagen stimmen also und Begriffe wie Innenverteidiger, Abseits oder Mittelstürmer gehen ihm auch schon recht flüssig von der Zunge.

„Ich habe mich hier sehr schnell eingelebt. Dabei bekomme ich auch sehr viel Hilfe“, sagt Kabak. Auf und neben dem Platz kümmert sich der Betreuer und Dolmetscher Fatih Ada, der sonst in der VfB-Fußballschule arbeitet, um den Abwehrspieler. Abseits des Fußballs regelt bislang die Mutter Necla in Stuttgart die Dinge des Alltags. Der Bruder Emre, die Schwester Zelal und der Vater Eyüp schauen ebenfalls regelmäßig im Ländle vorbei.

„Von ihm habe ich Disziplin gelernt – dazu legt man in meiner Familie viel Wert auf Bildung “, sagt Ozan Kabak über seinen Vater, der im Dienste des türkischen Staates als Gefängnisdirektor arbeitet – und der zunächst gar nicht so erfreut war, dass es einer der Söhne als Profifußballer versuchen will. „Ich habe aber sehr darauf gedrängt“, erzählt Kabak, der in seinen ersten Lebensjahren durch den Beruf seines Vaters viel innerhalb der Türkei umgezogen ist. Mit zwölf Jahren ist der heutige VfB-Profi dann in der Fußballschule von Galatasaray heimisch geworden. „Ich schulde dem Verein vieles – und wollte dies auch mit der Ablösesumme zurückzahlen“, sagt der Innenverteidiger, der für einen Teenager schon erstaunlich abgeklärt wirkt – und der auf dem Fußballplatz oft routiniert wie ein alter Hase aufspielt.

Kabak profitiert von Baumgartls Ausfall

„Er wirkt sehr aufgeräumt“, sagt der VfB-Kapitän Christian Gentner über den Neuzugang, der zunächst vom Ausfall des Abwehrkollegen Timo Baumgartl mit einer Gehirnerschütterung profitierte – der sich dann aber ganz schnell in der Stuttgarter Startelf etablierte. Es ist offensichtlich: Mit Kabak hat die VfB-Defensive um einiges an Stabilität zugelegt.

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Lange dürfte es also kaum dauern, ehe auch die türkische A-Nationalelf ihre Fühler nach Ozan Kabak ausstreckt. Der Co-Trainer Tayfur Havutcu saß bereits beim Hannover-Spiel in Stuttgart im Stadion – sah also den Doppelpack des Youngsters aus nächster Nähe. „Ich habe im Fußball noch viel vor“, sagt Kabak, „aber zunächst müssen wir mit dem VfB die Klasse halten.“

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