Der international gefeierte Komiker Jozef Houben arbeitet mit Stuttgarter Schauspielstudenten und verrät, wie man garantiert Lacher erzielt. Ein Gespräch über Timing, das Gelächter des Universums und viel Arbeit.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Stuttgart - Jozef „Jos“ Houben ist Schauspieler und Regisseur und ein Könner einer der schwierigsten Kunstformen überhaupt – Clownerie, Slapstick Komödie. Seine gefeierte Ein-Mann-Show „L’Art du Rire“ ist seit vielen Jahren weltweit auf Tournee. Seit 2018 findet er außerdem Zeit, Schauspielstudierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart zu unterrichten.

 

Herr Houben, wann lachen Sie?

Ich lache nicht mehr so einfach. Ich frage immer, wie macht das Lachen mein Leben reicher, tiefer und leichter. Ich suche die Poesie. Oft reicht es auch, wenn das Publikum einfach lächelt.

Was interessiert Sie an Humor?

Humor, der mich interessiert, Tricks und Gags müssen etwas Menschliches an sich haben. Solche Szenen sind wie ein Haiku, es steckt so viel darin. Humor muss eine Rätselhaftigkeit haben, damit es nicht an der lustigen Oberfläche bleibt. Manchmal ist das Leben so absurd, so schrecklich, dass nur Humor das übersteigen kann, nicht nur als Therapie, ein guter Komiker ist auch ein Schamane. Auch der Narr ist ja nicht nur lustig, es gibt das Teuflische des Narren, das Gemeine. Humor hat eine eigene Kraft, eine eigene Energie.

Sie arbeiten jetzt mit Studierenden. Wie kamen Sie auf die Idee zu einem Abend über Daniil Charms, einen nur in Kennerkreisen bekannten russischen Avantgardisten?

Es war ein eigenartiger Zufall, dass die Leiterin der Schule, Franziska Kötz, mir Charms vorschlug. Bist du eine Hellseherin?, habe ich sie gefragt. Ich habe eine lange Geschichte mit dem Autor, vor einiger Zeit habe ich im National Theater London ein Charms-Musical gemacht. Charms war ein exzentrischer Poseur, halb Punk und Provokateur, halb Philosoph, wie die Dadaisten auch. Nur Texte zu spielen ohne Ansage und Einordnung, ohne eine zentrale Figur, das ist schwierig. Mich interessiert im Theater immer die Frage: Wer ist hier der Held? Auch das, was er Theater nennt, ist auch nicht spielbar, das sind Spielereien auf Papier.

Und was tun Sie nun?

Es gibt ein Stück, das viele Möglichkeiten eröffnet, „Elisabeth Bam“. Es stellt die Zuschauer in eine Situation, die stark ist. Es geht um eine Verhaftung. Die Energie der Situation ermöglicht es, dass die Figuren sich immer wieder anders positionieren: als würde sie sagen, ach, das ist alles nur Clownerei, Zirkus! Am Ende wird sie dann doch verhaftet. Zwischen den Momenten: „Öffnen Sie die Tür! – und : „Folgen Sie uns!“, können wir uns amüsieren mit Charms‘ Geschichten. Der Stil ändert sich ständig, man kann Anti-Theater spielen und man kann das Theater selbst untersuchen, fragen, was kann Theater überhaupt?, sodass etwas künstlerisch Neues passiert. Es ist ja auch ein Doppelprojekt.

Wie meinen Sie das?

Der Abend ist ein künstlerisches Projekt und ein pädagogisches, die Spieler sind ja Studierende. Sie erfahren, wie man solche Texte komponiert. Ich frage sie, was spricht dich an? Das war ein Anfangspunkt, dann war dies die Aufgabe: Ihr seid mit eurem Talent da. Ob ihr ein Lied singt, Piano spielt, Jonglage zeigt, alles könnt ihr verwenden. Es ist ein Festival der kleinen Scherze, ein Melodrama, eine Clownerie, ein tragischer Chor. Wie eine Paul-Klee-Malerei: lauter, scheinbar unvereinbare Einzelteile – dann tritt man einen Schritt zurück und sieht, es gibt einen Zusammenhang.

Wie schwierig ist es, Humor zu lehren?

Manchmal dachte, ich bin zu ambitioniert, denn ich poche auf Timing, Timing, Timing. Aber das ist die Erfahrung: Man lernt es durchs Üben. Es ist wichtig, dass die Studierenden Risiken eingehen, mit ihrer Angst umgehen und lernen, mutig zu sein. Man muss Fehler machen, so lernt man, so entwickelt man sich weiter.

Wie üben Profis, komisch zu sein?

Schwierig. Es gibt nicht mehr viele Möglichkeiten zu üben. Wo sind die Bühnen, wo man jeden Abend auftreten kann? Bevor Buster Keaton, Charlie Chaplin im Kino berühmt wurden, hatten sie ihre Nummern jahrelang vor Publikum geübt. Und üben ist das Wichtigste. Es ist einfach sehr viel Arbeit. So wie das Kino dem Zirkus geschadet hat, hat die Fernsehshow den bunten Abend, das Kabarett abgeschafft.

Nach Corona und dauerndem Videoschauen von alten Inszenierungen haben die Menschen aber doch wieder Lust auf Theater – live.

Ja, wir müssen Menschen sehen, das ist vielleicht das Positive. Wir brauchen Gemeinschaft in einem Raum, in einem Ereignis, Theater ist auch immer Ritual. Karten kaufen, Hinsetzen, Warten, dass das Licht ausgeht, das Spiel beginnt. Das ist eines der Rituale, die unser Leben strukturieren.

Tragisch spielen scheint vergleichsweise einfacher als witzig zu sein. Nicht jeder ist komisch.

Es gibt aber gewisse Sicherheiten, egal was, die Leute lachen, sie haben keine Wahl. Diese Tricks muss man können. Das sind die Unterstützungen, und dann kommt der vorsichtige erste, zweite Tanz mit dem Publikum. Aber sich zu irren, in der Annahme, dass etwas funktioniert, das ist die Tragik der Komik. Manchmal geschieht es aber auch, dass Leute nur bei der Premiere lachen und dann nie mehr wieder. Man muss das akzeptieren, dass man das Komische nur mit dem Publikum gemeinsam machen kann. Man spielt, lernt, nimmt in dieser Szene etwas weg, verbessert sich.

Die letzte Vorstellung ist also die beste?

Absolut!

Lassen sich humorvolle Szenen durch Tricks herstellen?

Es gibt einen Zeitbogen. Nach 40, 45 Minuten muss man plötzlich etwas total anders machen. Stille, Poesie. Gutes Kabarett ist immer eine Abwechslung von Lachen, Weinen, Staunen, Schweigen. Plötzlich entsteht etwas, wir hören auf zu lachen, doch das Universum lacht noch ein bisschen weiter. So beende ich gern einen komischen Abend: mit Stille.

Was tun, wenn keiner lacht? Haben sie einen Rat für die Studierenden?

Vergessen. Sofort loslassen, weitergehen. Der nächste Abend ist dann wieder anders. Man kann stundenlang diskutieren, aber man sollte es nicht obsessiv tun. Wenn den ganzen Abend keiner lacht, dann war vielleicht doch das Publikum schlecht.

Info zur Premiere

„Daniil Charms: Fälle. Fallen“ feiert Premiere am 9. Oktober um 19.30 Uhr im Wilhelma Theater Stuttgart. Es spielen die Studierenden der Schauspielschule Wiktor Grduszak, Cora Kneisz, Natalja Maas, Jonas Matthes, Liliana Merker, Félicien Moisset und Jakob Spiegler.

Weitere Vorstellungen am 17., 18. Oktober, 6., 7., 19., 20., 27. November, 4., 5. Dezember, jeweils um 19.30 Uhr. Kartentelefon: 07 11 / 95 48 84 95.

Zur Person

Jozef Houben, 1959 in Brüssel geboren, ist Gründungsmitglied des Théâtre de Complicité und war an der Entwicklung des gefeierten Stücks „A Minute Too Late“ beteiligt, bei dem er auch mitspielte, und das 1985 in der englischen Theaterwelt für großes Aufsehen sorgte.

Houben entwickelte und inszenierte das komisch-absurde Kult-Duo „The Right Size“, das am Londoner West End und am Broadway zur Aufführung kam und 1999 mit dem Laurence Olivier Award als beste Live-Show und 2002 als beste neue Komödie ausgezeichnet wurde. Außerdem hat er in England bei diversen weltweit erfolgreichen Fernsehprogrammen und komischen Serien als Schauspieler und Co-Produzent mitgewirkt.

Er hat als Schauspieler überdies mit Regisseuren wie Peter Brook gearbeitet. Und er führt Regie in der Oper. Gemeinsam mit Emily Wilson inszenierte er 2018 eine moderne Oper von Violeta Cruz „La Princesse Légère“ an der Oper von Lille und der Opéra-Comique in Paris.