Erstmals seit März präsentiert sich Eishockey mit dem Deutschland-Cup wieder auf der großen Bühne. Das abgespeckte Turnier ist dem DEB so wichtig, dass er sogar einen Verlust in Kauf nimmt.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Krefeld/Stuttgart - Eishockey-Profis sind hart im Nehmen. Nach einem heftigen Check an die Bande atmen sie ein- oder vielleicht zweimal kräftig durch, dann wird wieder mit vollem Körpereinsatz gearbeitet. Auch Eishockey-Funktionäre können einstecken, den Mund abputzen und weitermachen, was garantiert daran liegt, dass die meisten von ihnen Profi gewesen sind. „Eine Absage wäre einfach gewesen“, sagt Franz Reindl über den Deutschland-Cup der Eishockey-Nationalmannschaft, „aber wir kämpfen nicht nur auf dem Eis, sondern auch daneben.“ Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) absolvierte 183 Länderspiele, wurde 1976 mit Olympia-Bronze dekoriert – für ihn war das Streichen des Turniers keine Option, auch wenn als internationaler Gegner lediglich Lettland übrig blieb, auch wenn Bundestrainer Toni Söderholm wegen einer Corona-Infektion nicht hinter der Bande steht, auch wenn in der Krefelder Yayla-Arena keine Fans zugelassen sind. „Jammern hilft nichts“, betont der 65-Jährige, „ich habe keinen Moment gezögert.“

 

Deutsche Spiele live im Fernsehen

Es geht aber nicht um das sture Festhalten an einem Traditionsturnier, in dem sich von Donnerstag bis Sonntag die deutsche Mannschaft, das Perspektiv-Team des DEB und die Letten messen – nachdem Russland, die Slowakei, die Schweiz und Ersatzkandidat Norwegen aus Pandemiegründen zurückgezogen hatten. Es geht darum, dass Eishockey in Deutschland ein bemerkbares Lebenszeichen von sich gibt, nachdem die Profiligen DEL und DEL 2 im März vor Corona kapitulierten und die Play-offs abbrachen. Die Wiederauferstehung ist dem DEB lieb und teuer, das Turnier wird mit einem Minus von 300 000 Euro abschließen – die Botschaft, die mit der Live-Übetragung der Partien im Fernsehen durch Sport 1 einhergeht, ist unbezahlbar: Hurra, wir leben noch!

Die Profis sind froh, dass die Zwangspause endet – auch wenn sie seit Wochen wieder trainieren und Testspiele bestreiten, so ist der Deutschland-Cup etwas Besonderes. Er ist ein Wendepunkt. „Endlich kehren wir ein wenig zum Alltag zurück“, sagt Nationalspieler Marcel Noebels, „es freut mich, dass das Leben in unsere Sportart zurückkehrt und wir wieder unserem Beruf in gewohnter Form nachgehen können.“ Allerdings: Die völlige Normalität lässt noch auf sich warten, die DEL plant den Saisonstart am 18. Dezember, lediglich die Zweitliga-Profis aus der DEL 2 stürzen sich bereits am kommenden Wochenende wieder in den Liga-Betrieb. „Wir hoffen“, sagt Noebels von den Eisbären Berlin, der bei Olympia 2018 die Silbermedaille gewann, „dass wir Mitte Dezember wirklich starten können. Ich blende das Negative aus und glaube fest daran.“

Geisterspiele sorgen für Unbehagen

Der Deutschland-Cup ist nicht nur auf dem Eis eine Generalprobe, die Cracks dürfen sich auf die sonstigen Gegebenheiten einstellen wie das abgeschottete Teamleben in der Blase und Spielen vor leeren Rängen. Dass der DEB-Tross nur zwischen Arena und Hotel pendelt, stecken die Männer ebenso locker weg wie die Corona-Tests. „Wir haben kaum Freizeit“, sagt Routinier Yannic Seidenberg, „wir haben zweimal täglich Training und im Hotel eine Playstation, eine Dartscheibe sowie Karten. Da entsteht kein Lagerkoller.“ Die Geisterspiele jedoch bereiten leichtes Unbehagen, eine leere Halle ist etwas anderes als eine Arena mit mehreren Tausend lärmenden Fans, wie es sonst üblich ist. „Es wird anders“, glaubt Noebels, „man wird wie im Fußball Worte hören, die man sonst nicht vernimmt.“ Geisterspiele und Corona-Regeln, das wird der Alltag in der DEL, wo die Clubs Wege suchen, die Saison auch ohne Zuschauereinnahmen zu stemmen. Wird es gelingen? „Eine Prognose ist unmöglich“, sagt DEB-Chef Reindl, „wir müssen schauen, dass wir überleben. Es ist ein unglaublich harter Kampf.“ Aber den sind sie im Eishockey ja alle gewöhnt.