BR-Alpha wird am Wochenende zu ARD-Alpha – in der Hoffnung, aus einem Nischenprodukt ein TV-Schmuckstück zu machen, das von einem breiteren Publikum geliebt wird. Nicht allen gefällt diese Programmreform.

Stuttgart - Publikumswirksamer hätte man den Start nicht ansetzen können: Ausgerechnet bei der Eröffnungsveranstaltung der jährlichen Tagung der Nobelpreisträger in Lindau, die von 15 Uhr an in ihrer Gesamtheit live übertragen wird, will der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, am kommenden Sonntag im Beisein von Laureaten, Nachwuchswissenschaftlern und der Bundesbildungsministerin Johanna Wanka den Startknopf für einen neuen bundesweiten Bildungskanal drücken. Das nennt man wohl eine Win-Win-Situation – wobei der Bildungskanal so neu nicht ist, sondern seit fünfzehn Jahren als bayerischer Bildungskanal BR-Alpha läuft, mit einem bunten Mix aus Telekolleg, Sprachkursen, Angeboten für Schüler und populärwissenschaftlichen Sendungen aus allen Bereichen. Künftig wird er allerdings in der ganzen Republik zu sehen sein, unter dem neuen Namen ARD-Alpha, mit neuem Programmschema, neuen Inhalten und neuem, listig gewählten Slogan. „Die Welt verstehen“ – wer wollte das nicht in Zeiten rasanten Wandels, wer suchte dabei nicht Gefährten, die bei der Orientierung helfen?

 

Der 52-jährige Wilhelm, in einem früheren Leben Chef des Bundespresseamts und Sprecher der Bundeskanzlerin Angela Merkel, weiß eben, wie man Institutionen gewinnbringend vernetzt und alten Wein in neuen Schläuchen verkauft. Die Umwandlung der häufig bespöttelten, aber auch heißgeliebten Anti-Trash-Spielwiese aus dem Münchner Funkhaus – der Spiegel bezeichnete sie einmal als „zauberhaft der Zeit entrückt“ – ist nur eines von vielen Projekten, mit denen der CSU-Mann seinen Sender derzeit konsequent zum trimedialen Medienhaus mit größerer Reichweite ausbaut. Das geschieht nicht immer, wie im Fall des Klassiksenders BR 4, zur Freude der Belegschaft und des Publikums. Gegen die Verlegung des vor allem bei älteren Hörern beliebten Musiksenders aus den UKW-Frequenzen in den nur via DAB und Internet empfangbaren Digitalbereich und die dann erfolgende Ausstrahlung des Jugendsenders „Puls“ auf UKW tobt seit Wochen ein Sturm der Entrüstung nicht nur in der bayerischen Kultur- und Privatsenderszene. Reagiert wurde von BR-Seite inzwischen mit der Ankündigung, den Start des Experiments mit offenem Ausgang bis 2018 zu verschieben.

Bayrische Alleingänge

Auch bei ARD-Alpha müssen sich die Verantwortlichen der Kritik stellen, bevor es überhaupt richtig losgeht. Nach eigenem Gutdünken wollte der BR aus seinem bayerischen Landesangebot ein bundesweites ARD-Angebot machen, obwohl es dafür zunächst eine Ermächtigung durch die Länder geben müsste, beklagte der Verband Privater Rundfunk- und Telemedien. Nicht auszuschließen ist, dass da noch ein juristisches Nachspiel ansteht. Eine leise Diskussion über die erwünschte Zahl öffentlich-rechtlicher Kanäle jedenfalls regt sich schon.

Ungeachtet dessen aber soll ARD-Alpha in den nächsten Monaten stufenweise von einem kleinen, feinen und manchmal auch furchtbar zopfigen Nischenprodukt in ein TV-Schmuckstück verwandelt werden, das eine breitere Öffentlichkeit lockt. Zunächst sollen zu den bisherigen Übernahmen von Sendern der ARD und aus Österreich weitere Übernahmen kommen, etwa die „Tagesschau“ und Wissens- und Kulturmagazine wie „Quarks & Co“ oder „Druckfrisch“. Des weiteren werden Eigenkreationen wie eine werktägliche Sendeleiste mit dem Titel „Intermezzo“, jeweils um 21.45 Uhr, angekündigt. Dort wird es zu Beginn unter anderem um die Magie der Farben gehen. Freitags um 19 Uhr gibt es künftig eigenproduzierte Dokureihen, beispielsweise zum Thema „Altruismus versus Egoismus“, montags um 19 Uhr werden in den neuen Formaten „Campus Slams“ und „Campus Talks“ abwechselnd hochkomplexe Sachverhalte für Laien verständlich erklärt. An den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnert vom 28. Juni an die zehnteilige Dokumentarspielreihe „Vom Reich zur Republik“ von Bernd Fischerauer, von 29. Juni an steht anlässlich des Beginns des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren an mehreren Sonntagen die britische Reihe „The World at War“ in einer digital restaurierten Fassung auf dem Programm. Sie kann optional auf Englisch angeschaut werden, ein attraktives Angebot, das bei ARD-Alpha ausgebaut werden soll: Kultserien und Klassiker will man dort jetzt öfter in der Originalsprache ausstrahlen.

Im Herbst startet dann unter anderem das „Campus Magazin“ für Hochschüler sowie das experimentelle Echtzeitmagazin „Mora“, mit dem Innovatives entwickelt werden soll. Mehr Geld steht dem BR für all diese Veränderungen allerdings nicht zur Verfügung. „Kostenneutral“ müsse der Umbau laufen, sagte der Programmbeauftragte Werner Reuß kürzlich, „das bedeutet insgesamt: wir können wenig zusätzlich, aber vieles anders machen“. Eine Herausforderung, auch für Gebildete.