Gerlinde Kretschmann hat sich über die Secondhand-Boutique PragA in Stuttgart-Nord informiert. Ziel des gemeinnützigen Projekts ist es, langzeitarbeitslose Frauen möglichst in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln.

S-Nord - Wildschweinleber, Salzkartoffeln und Bohnen: Dass Deftiges bei Baden-Württembergs Ministerpräsidenten am vergangenen Wochenende auf den Tisch kam, wussten die Damen im PragA noch vor Winfried Kretschmann (Grüne). Verraten hat es seine Frau Gerlinde bei ihrem Besuch im gemeinnützigen Secondhand-Boutique PragA. In der Reihe „Zu Gast bei PragA – Menschen im Schaufenster“ hat sich Baden-Württembergs First Lady über das Projekt informiert, durch das arbeitslose Frauen eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen sollen. Doch vor allem hat Kretschmann mit den zwei Dutzend Zuhörerinnen geplaudert: über Mode und Männer, besonders über ihren Mann: den Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

 

Mode: Was der First Lady aufstößt, sind übereifrige Verkäuferinnen, die beteuern, wie gut ihr ein Outfit steht. „Obwohl ich im Spiegel seh, dass ich so nicht rum laufen kann.“ Falsche Beratung: Die gibt es im PragA nicht, versichert ihr eine Mitarbeiterin des Secondhandshops: „Wir wollen ja, dass unsere Kundinnen wieder kommen.“ Kretschmann selbst gibt Kleidung, „die aus unerfindlichen Gründen immer kleiner wird“, ebenfalls an gemeinnützige Einrichtungen ab. Eine ihrer fünf Schwestern übernimmt das. Auch von schicken, hochhackigen Schuhen, die beim Anprobieren noch bequem waren, sich im Alltag aber als untragbar erweisen, landen dort. Gerlinde Kretschmanns Zuhörerinnen nicken Zustimmung. Sie wissen, wovon die First Lady spricht.

„Mein Mann sagt ‚ja. ja’ und schaut gar nicht hin“

Eitelkeit: Das ist nicht die Sache der First Lady. Bereits in jungen Jahren waren ihr Äußerlichkeiten nicht so wichtig. „Mir war in Sachen Mode alles recht“, sagt sie und hat es auch schon fertig gebracht, zum Landespresseball zwei Mal in der selben Robe zu erscheinen. Das mache ihr überhaupt nichts aus. „Und wenn Sie Ihren Mann fragen, was er von einem bestimmten Kleid hält?“ will eine Zuhörerin wissen. Kretschmann: „Dann sagt der: ‚ja. ja‘ und schaut gar nicht hin.“

Die Kretschmanns: Ein Ehepaar wie jedes andere? Nicht ganz. Das Heim in Sigmaringen-Laiz wird von Kameras überwacht. Die Polizei fährt öfter Streife. Es kommt vor, dass Menschen vor dem Haus auftauchen und das Paar belästigen. Kretschmann: „Das sind in der Regel Menschen, die mit ihrem Schicksal hadern, eventuell ein Gerichtsverfahren durchlaufen haben und sich durch das Urteil ungerecht behandelt fühlen.“ Bodyguards seien jedoch nicht ständig im Einsatz.

Der Ministerpräsident: Wie ging es ihr, der Gattin, als der bekannt gab, nochmals für das Amt kandidieren zu wollen, wird sie gefragt. „Mein politisches Herz hat die Antwort gegeben“, sagt Gerlinde Kretschmann und weiß, dass der Regierungschef ohne das Amt „nur ein bissle öfter zu Hause wäre“. Nicht mehr in Amt und Würden, würde er nämlich die vielen Einladungen zu Vorträgen annehmen. Montag bis Freitag verbringt der MP meist in Stuttgart. Vor seiner Arbeit hat sie großen Respekt. „Ich bin das Schaffen ja gewöhnt. Aber er muss nicht nur arbeiten, sondern Entscheidungen treffen. Das ist anstrengend.“

Emanzipation: Unpolitisch war Gerlinde Kretschmann nie. Sie war für die Grünen in Sigmaringen im Gemeinderat und im Kreistag. Selbst stammt sie aus einer CDU-Familie. Dass sie bei den Grünen ist, hat auch mit deren Einstellung zu Frauen zu tun. „Die CDU habe ich früher, wahrscheinlich zu unrecht, als Altmänner-Partei empfunden. Bei Wahlen haben die Grünen mehr Kandidatinnen als andere Parteien aufgestellt. Und vor allem wählen die Grünen-Wähler im Gegensatz zu den Wählern anderer Parteien auch Frauen“, stellt sie fest.

Kurz nach 20 Uhr guckt Gerlinde Kretschmann auf die Uhr. Sie weiß, wann der Zug nach Sigmaringen fährt. Dass sie zum Bahnhof ein Taxi nehmen soll, hat ihr der Ministerpräsident ans Herz gelegt. „Lauf nicht immer und nimm nicht immer den Bus“, habe der gesagt. Ihren Zuhörerinnen empfiehlt sie, nach dem Gespräch noch einzukehren, denn dass sei doch immer das Schönste. Die Herzen der Damen hatte die First Lady jedenfalls nach einer guten Stunde gewonnen.