Es ist ein Novum in der SWR-Geschichte: Erstmals hat die Gewerkschaft Verdi einen Warnstreik initiiert – und sogleich Programmänderungen erzwungen. Anlass war die Tarifrunde, aber auch der neue Intendant hat die Proteste befeuert.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Kaum hat der neue Intendant Kai Gniffke am Montag sein Amt beim Südwestrundfunk angetreten, stand ihm schon ein Warnstreik ins Haus – der erste überhaupt in der SWR-Geschichte, wie die Gewerkschaft frohlockt.

 

Allerdings hatte die Aktion von etwa 300 Beschäftigten am Montagnachmittag formal nichts mit den für viele Mitarbeiter provozierenden Äußerungen Gniffkes von voriger Woche zu tun. Da hatte er etwa vom „Absenken der Produktionsstandards, wo es möglich ist“ gesprochen. „Wir müssen deutlich günstiger produzieren“, sagte er der Agentur dpa. Anlass des zweieinhalbstündigen Warnstreiks war vielmehr die laufende Tarifrunde. Die Gewerkschaft macht hingegen Druck in der Tarifrunde. Sie beklagt, dass die Arbeitgeberseite offenbar den über Jahrzehnte gewohnten Kurs aufgeben will, wonach sich die Tarifabschlüsse beim SWR am Tarifergebnis des öffentlichen Dienstes der Länder orientieren.

Warnung von einem „weiteren Personalabbau“

Dieser brächte aktuell jeweils 3,1 Prozent mehr Gehalt für dieses und nächstes Jahr. Doch die Arbeitgeber wollen vor der dritten Runde an diesem Dienstag lediglich 1,9 Prozent pro Jahr geben, wie der Leiter des Verdi-Landesfachbereichs, Siegfried Heim, erläutert. Der SWR solle auf den bisherigen Weg zurückkehren.

Es sei ein „großes Anliegen der Geschäftsleitung“, das Engagement der Mitarbeiter beim multimedialen Umbau „angemessen zu honorieren“, begründet SWR-Verwaltungsdirektor Jan Büttner die Arbeitgeberhaltung. „Die finanziellen Rahmenbedingungen geben uns aber nicht die nötigen Freiräume, die wir dafür bräuchten.“ Wenn „wir die derzeitigen Forderungen der Gewerkschaften erfüllen würden, würde das unweigerlich einen weiteren Personalabbau nach sich ziehen.“ Immerhin bewege man sich mit dem vorliegenden Angebot „sogar oberhalb der voraussichtlichen Teuerungsrate“.

Dennoch rief Verdi in Stuttgart, Baden-Baden und Mainz sowie im SWR-Studio Tübingen zur befristeten Arbeitsniederlegung auf. Daran beteiligten sich insbesondere Mitarbeiter aus Produktion, Technik und Gebäudemanagement – in Stuttgart wurde „aus rechtlichen Gründen“, wie Heim sagte, darauf verzichtet, auch die zahlreichen arbeitnehmerähnlichen freien Journalisten in der Redaktion zu Solidaritätsstreiks aufzurufen. Man wolle „nicht überziehen“. Dennoch musste das SWR Fernsehen sein Programm ändern: Für die beliebte Nachmittagssendung „Kaffee oder Tee“ wurde ein Ersatzprogramm ausgestrahlt – mit Gartengeschichten, dem Reisetipp Pfälzerwald und „Genussvoll durch die Ortenau“.

Gniffke-Äußerungen als Motivationsschub

Da man noch „ganz weit von einem akzeptablen Tarifabschluss entfernt“ sei, könnten weitere Warnstreiks notwendig sein, mahnt Heim. Die Äußerungen des neuen Intendanten Kai Gniffke machten ihm Sorge, ergänzt der Gewerkschafter. Sie signalisierten die Haltung der Arbeitgeberseite: „Hier ist gar nichts mehr sicher“. Folglich würden sie die Beschäftigten motivieren, sich verstärkt für ihre Interessen einzusetzen.

Ähnliche Protestaktionen hatte es vor Wochen schon beim WDR in Köln sowie beim NDR in Hamburg und Hannover gegeben. Dabei wurde auch das ARD-Morgenmagazin in Mitleidenschaft gezogen.