Sachsens Polizei ist immer für Überraschungen gut, wenn sie gegen Zeitgenossen vorgeht, die sich Neonaziaufmärschen widersetzen. In Plauen ist der Widerstand gegen Rechtsextreme eskaliert.

Plauen - Sachsens Polizei ist immer für Überraschungen gut, wenn sie gegen Zeitgenossen vorgeht, die sich Neonaziaufmärschen widersetzen. Erinnert sei etwa an drei groß angelegte Funkzellenabfragen im Jahre 2011, als die Ordnungshüter nach einer Antifa-Demonstration in Dresden mehr als eine Million Verkehrsdatensätze von gut 320 000 Handybesitzern ortete. Das zuständige Landgericht erklärte dieses Vorgehen mittlerweile für rechtswidrig. Doch sächsische Polizisten sind hartleibig beim Verfolgen von Zivilcourage gegen rechts. Das erlebte man am 1. Mai in Plauen, wo sich das von Gewerkschaften, Kirchen und Parteien getragene Bündnis „1. Mai – Vogtland nazifrei“ nach einer Kundgebung zu einem antifaschistischen Protestzug formierte. Gleichzeitig zogen hunderte Rechtsextreme durch die Stadt. Die Polizei schützte sie mit 800 Beamten.

 

Die genehmigte Route der Rechten führte auch an der Pauluskirche vorbei, in der zuvor Sachsens evangelischer Landesbischof Jochen Bohl an einem Friedensgebet teilnahm. Aus dem friedlichen Protest von etwa 2000 Gegendemonstranten heraus errichteten schließlich rund 200 Teilnehmer vor der Kirche Barrikaden, unter ihnen eine Gruppe Linksautonomer. Laut Polizeiangaben zündeten sie Mülltonnen an und warfen Steine und Flaschen.

Als schließlich die Staatsmacht massiv vorrückte, zogen sie sich in die Kirche zurück. Doch die Uniformierten setzten unverzüglich nach. Sie ignorierten den Widerstand von Paulus-Pfarrer Hans-Christoph Spitzner, packten sich mitten im Gotteshaus recht rüde die Widerständler und stießen sie „gewaltsam von der Vortreppe der Kirche herunter“, so Volkmar Zschocke, Landesvorstandssprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Er erlebte das Vorgehen der Polizisten, die Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzten, als einen „brutalen Einsatz“. Anschließend kesselte man die Demonstranten ein, um ihre Personalien zu erfassen.

Die Proteste gegen diesen Polizeieinsatz in einer Kirche reißt seither in Sachsen nicht ab. Landesbischof Bohl sprach erregt von einer „Grenzüberschreitung, die unverhältnismäßig und völlig überzogen“ gewesen sei. Immerhin habe es zuvor sogar Absprachen mit der Polizei über die Öffnung der Kirche gegeben. Die Beamten wären in sie eingedrungen „ohne dass aus dem Gotteshaus heraus Straftaten begangen wurden“, rügte er. Die Arbeitsgemeinschaft Kirche für Demokratie spricht von einem „Rückschlag für den vertrauensvollen Gesprächsprozess der vergangenen Jahre“.

Harsche Kritik kommt auch von der SPD. „Menschen aus der Pauluskirche zu zerren und sie danach regelrecht zu versiegeln, lässt arge Zweifel am Demokratieverständnis der Tillich-Regierung aufkommen“, heißt es in der Plauener Stadtratsfraktion. Sachsens SPD-Landeschef und Landtagsfraktionschef Martin Dulig erinnerte daran, dass es nicht einmal im heißen DDR-Herbst 1989 gewaltsame Polizeieinsätze in Gotteshäusern gegeben habe. „Die Kirche ist immer noch geschützter Ort“, sagt Dulig, der an der Demonstration vor der Kirche teilnahm und im Polizeikessel festsaß. So wusste er offenbar aus erster Hand, dass es nur eine „kleine Gruppe Randalierer“ gab. Dennoch habe die Polizei „alle 200 Demonstranten unter Generalverdacht genommen, Linksautonome zu sein“.

Obgleich es auch kritische Stimmen in der CDU gibt, schießt deren sächsischer Generalsekretär Michael Kretschmer nun zuerst gegen SPD und Grüne. Sie verharmlosten die Täter, denn brennende Barrikaden und Flaschenwerfen seien „schwere Verbrechen, die aufgeklärt werden müssen“, so Kretschmer, der auch stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist. Angesichts der im Herbst anstehenden Landtagswahl in Sachsen nannte er es „bemerkenswert, dass SPD und Grüne mal wieder zuerst auf die Polizei zeigen und nicht auf die Täter“.

Jetzt hat sich die Einsatzleitung beim Paulus-Pfarrer entschuldigt. Sie sprach von „Irritationen“. Derweil ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen 393 Antifa-Blockierer wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, Raub, Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung.