Auch Jahre nach dem S-21-Volksentscheid kämpfen die Obenbleiber in Stuttgart-Degerloch noch immer gegen das Bahnprojekt. Nun soll ein dicker Aktenordner mit Fakten zum Brandschutz Landtagsabgeordnete zum Nachdenken bringen.

Degerloch - Es gibt schönere Tage, um vor dem Landtag auszuharren, aber den Degerlocher Obenbleibern hat das nasskalte Dezemberwetter am Freitagmorgen die gute Laune nicht verdorben. Schließlich konnten sie Vertretern des Petitionsausschusses einen dicken Aktenordner überreichen, der sämtliche Fakten enthält, die aus Sicht der Gegner des Großprojekts Stuttgart 21 schieflaufen. Genauer gesagt in Sachen Brandschutz, denn genau dieser und dessen unterstellte Mängel sind Kern der Petition. Die Übergabe ist ein Etappensieg für die Obenbleiber, denn die Politiker müssen sich nun mit ihrem Anliegen beschäftigen.

 

„Der Idealfall wäre, dass sich der Landtag nicht nur damit beschäftigt, sondern die Bürger auch informiert“, sagt Gerald Kampe, einer der Initiatoren der Petition. Das nämlich sei bislang nicht ausreichend geschehen. Die Meinung der S-21-Gegner über das Brandschutzkonzept des Großprojekts ist eindeutig: Ungenügend sei es. Sie berufen sich dabei auf den Brandschutzexperten Hans-Joachim Keim, ein Mitglied ihrer Gruppe, der vor 19 Jahren als Gutachter bei der Aufarbeitung eines Tunnelbrands im österreichischen Kaprun mit insgesamt 155 Todesopfern fungiert hatte.

1800 Unterschriften seit Juni

Keim hat das Brandschutzkonzept als „Katastrophe mit Ansage“ bezeichnet und befürchtet, dass der Fildertunnel das „größte Krematorium Europas“ werden könnte. Er ist überzeugt, dass im Fall eines Brands Fahrgäste in den zum Bahnhof führenden Tunnel nicht in Sicherheit gebracht werden könnten. Andere Experten halten das Brandschutzkonzept für plausibel, etwa der stellvertretende Leiter der Stuttgarter Brandschutzdirektion Markus Heber.

Die Degerlocher Obenbleiber jedenfalls fordern in ihrer Petition regelmäßige belastbare Auskünfte der Landesregierung zum Brandschutzkonzept und zu den tatsächlichen Kosten des Projekts. Mehr als 1800 Unterschriften hat die Gruppe seit Juni gesammelt, 1300 davon auf Papier und 500 über die Online-Plattform WeAct. Michael Köstler sieht gute Chancen, dass die Petition die Politik zum Handeln bringt und die Bürger besser informiert.

Nun kann es mehrere Monate dauern

Auch Wilfried Seuberth findet es wichtig, dass die Fakten nun offiziell vorlägen: „Immer wieder haben Abgeordnete gesagt, sie wissen nicht genau Bescheid. In der Petition stehen Fakten drin, die man nachlesen kann.“ Das Hauptanliegen sei es, Schwachstellen bei Stuttgart 21 auszubessern. Seuberth war es auch, der Petra Krebs (Grüne), der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, den Ordner überreichte. Krebs dankte der Gruppe für ihr Engagement, bat aber auch um Geduld.

Der nun einsetzende Prozess könne sich einige Monate hinziehen, realistisch könne man von einem halben Jahr ausgehen. Ein Abgeordneter, der Mitglied des Ausschusses ist, erhält die Unterlagen zur Prüfung. Zugleich muss die Landesregierung innerhalb von zwei Monaten Stellung zur Sache beziehen. Nach der Prüfung legt der beauftragte Abgeordnete dem Petitionsausschuss einen Bericht und eine Empfehlung vor, mit welchem Ergebnis die Petition abgeschlossen werden soll. Dann übergibt der Ausschuss sein Votum dem Landtagsplenum. Dieses entscheidet, ob es die Petition abweist – oder die Landesregierung zum Handeln auffordert.