In der US-Stadt Charlotte sind Proteste gegen die Polizei eskaliert. Ein Demonstrant wurde durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. In der Stadt wurde der Ausnahmezustand ausgerufen.

Charlotte - Nach neuerlichen Ausschreitungen bei Protesten gegen Polizeigewalt hat der Gouverneur des US-Bundesstaats North Carolina den Notstand für die Stadt Charlotte ausgerufen. Zudem solle die Nationalgarde die Polizei vor Ort unterstützen, ordnete Gouverneur Pat McCrory an.

 

Zuvor hatte es nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen Afroamerikaner die zweite Nacht in Folge gewaltsame Zusammenstöße gegeben. Ein Demonstrant wurde durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. McCrory sagte in der Nacht zum Donnerstag dem Fernsehsender CNN: „Wir können Gewalt nicht hinnehmen. Wir können die Zerstörung von Eigentum nicht tolerieren und auch keine Gewalt gegen unsere Polizeibeamten.“ Es sei ihm sehr ernst damit. „Das ist nicht der American Way.“

Zuvor war zum zweiten Mal in Folge in Charlotte die Gewalt eskaliert. Am Mittwochabend hatten sich erneut mehrere hundert Demonstranten in der Innenstadt versammelt. Anfangs blieb es ruhig. Für den am Dienstag von der Polizei getöteten Keith Lamont Scott wurde eine Mahnwache gehalten. Vor einem Hotel kam es später zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei, wie AFP-Reporter berichteten. Sondereinsatzkräfte der Polizei setzten Tränengas gegen Demonstranten ein.

Gewalt „von Zivilisten gegen Zivilisten“

Kundgebungsteilnehmer bewarfen die Polizisten mit Steinen, schlugen auf Scheiben von Polizeifahrzeugen ein und kletterten auf Autos. Vor dem „Omni Charlotte“-Hotel fielen dann auch die Schüsse. Zunächst erklärte die Stadtverwaltung, ein Demonstrant sei an den Folgen der Schüsse gestorben. Doch dann zog sie die Erklärung zurück: Der Mann werde im Krankenhaus künstlich beatmet und sei am Leben, stellte sie klar. Die Schüsse seien nicht von der Polizei abgegeben worden, hieß es zudem. Es habe sich vielmehr um Gewalt „von Zivilisten gegen Zivilisten“ gehandelt.

Charlottes Bürgermeisterin Jennifer Roberts hatte die Bürger zuvor gebeten, daheim zu bleiben und von Gewalttaten abzusehen. „Bitte sagen Sie jedem, dass Gewalt keine Antwort ist“, richtete sich Roberts auf CNN an die Bürger.

Am Mittwoch hatte US-Präsident Barack Obama mit Roberts und dem Bürgermeister der Stadt Tulsa in Oklahoma telefoniert, wo es nach tödlichen Polizeischüssen auf einen Afroamerikaner ebenfalls zu Ausschreitungen gekommen war. „Der Präsident drückte beiden Bürgermeistern sein Mitgefühl hinsichtlich der tragischen Vorkommnisse aus und bekräftigte die Bereitschaft der Regierung, wenn nötig Unterstützung zu leisten“, erklärte Obamas Sprecher.

Waffe oder Buch?

Ein schwarzer Polizist hatte am Dienstagabend auf dem Parkplatz eines Reihenhauskomplexes in Charlotte den Afroamerikaner Keith Lamont Scott erschossen. Scotts Wagen war von Polizisten bei der Suche nach einem Verdächtigen umstellt worden, er hatte laut Polizei eine Schusswaffe dabei, was die Angehörigen des Opfers bestreiten. Der 43-Jährige habe auf seinen Sohn gewartet und ein Buch in den Händen gehalten, sagten Angehörige. Die Polizei widersprach diesen Angaben: Bei dem Toten sei eine Waffe gefunden worden, kein Buch. Einer der Beamten habe sich bedroht gefühlt und geschossen.

In den USA wird seit Monaten über Polizeigewalt debattiert. Mehrere Vorfälle, bei denen Polizisten unbewaffnete Schwarze töteten, lösten landesweite Proteste aus. Erst am Freitag war ein 40-jähriger Afroamerikaner in Tulsa in Oklahoma von der Polizei erschossen worden. In diesem Jahr erschossen US-Polizisten laut „Washington Post“ bereits 706 Menschen, darunter 163 Schwarze