Eine 25-Jährige wird wegen Computerbetrugs verurteilt, doch die wirklichen Bösewichte sitzen wohl im Ausland.

Leonberg - Über die Frau auf der Anklagebank hört man im Leonberger Amtsgericht nur Gutes. „Sie war die Beste, die wir hatten“, sagt eine ehemalige Kollegin, an deren Arbeitsplatz die 25-Jährige ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvierte.

 

Auch der Lebenslauf der moldawischen jungen Frau hört sich beeindruckend an: Nach dem Abitur und einem ersten Studienabschluss in ihrem Heimatland kam sie 2015 nach Deutschland, wo sie ein Studium der internationalen sozialen Arbeit macht. Ihr Deutsch ist hervorragend, derzeit ist sie für ein Auslandssemester in den Niederlanden.

Pakete nach Russland versandt

Und doch fand sich die Frau kürzlich auf der Anklagebank des Amtsgerichts wieder, wo sie sich wegen Computerbetrugs verantworten musste. Schuld daran war ein Nebenjob, mit dem sich die 25-Jährige ein paar Euro dazuverdienen wollte. Über die russische Facebook-Version sei sie von einem Vertreter einer russischen Firma angeschrieben und gebeten worden, Pakete anzunehmen und weiter zu versenden.

Als Begründung sei ihr gesagt worden, einige namhafte Firmen würden Waren-Bestellungen von russischen Firmen nicht nach Russland liefern. Wenn die Pakete aber über Deutschland liefen, sei das problemlos möglich. Die Staatsanwaltschaft warf ihr vor, im Juni 2019 Jahres Waren einer Bekleidungsfirma im Wert von rund 770 Euro bestellt und nach Russland weiterversandt zu haben. Bezahlt worden sei die Lieferung zwei Tage später über die Kreditkarte eines Mannes aus Jena.

Wie das passieren konnte, konnte sich die 25-Jährige nicht erklären. „Ich habe bei der Bekleidungsfirma selbst nichts bestellt, sondern nur die Pakete weitergeleitet“, erklärte sie. Den Namen des Kreditkarteninhabers habe sie noch nie gehört, und die Mail-Adresse, die mit der Kreditkarte verknüpft sei, enthalte zwar ihren Namen, gehöre aber nicht ihr. Bei diesem Internetdienste-Anbieter habe sie keine Mail-Adresse. Ihre Tätigkeit sei ihr nicht komisch vorgekommen, sie habe zehn oder 15 Euro dafür bekommen, dass sie den Inhalt mehrerer kleiner Pakete in ein größeres gepackt und weitergeleitet habe.

„In diese Fallen tappen Studenten oft“

Ihr Verteidiger erklärte, seine Mandantin sei auf den Trick der so genannten Paketagenten reingefallen. „In diese Falle tappen Studenten oft“, meinte er. Auf das Konto des Mannes aus Jena habe die 25-Jährige nie zugegriffen. Der Mann aus Thüringen bestätigte im Zeugenstand, dass er die Angeklagte noch nie gesehen und ihren Namen noch nie gehört habe. Er erklärte, er sei beruflich in ganz Deutschland unterwegs.

Die unberechtigte Abbuchung habe er in einem Hotel in Frankfurt festgestellt und habe dann auf Anraten seiner Bank Anzeige bei der Polizei erstattet. Er logge sich regelmäßig in öffentliche WLAN-Netze ein, jedoch nur, wenn diese passwortgeschützt seien. „Wie jemand an meine Kreditkartendaten gekommen sein kann, ist mir schleierhaft“, meinte der Jenaer.

Licht ins Dunkel konnte auch ein Kriminalkommissar aus Jena nicht bringen, der in dem Fall ermittelt hatte. Er erklärte, beim Anlegen der Mail-Adresse hinter der Kreditkarte sei zwar der Name und die Telefonnummer der Angeklagten verwendet worden, jedoch ein falsches Geburtsdatum. Wer die Waren bestellt und wer den Betrag abgebucht habe, lasse sich nicht feststellen. „Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass hier ein Datenmissbrauch vorliegt“, meinte der Kommissar. Dafür spreche zum einen, dass die Mail-Adresse hinter der Kreditkarte erst zwei Tage vor der Abbuchung angelegt worden sei. Zudem sei es unsinnig, seinen richtigen Namen zu benutzen, wenn man einen Betrug vorhabe.

Entlastende Indizien

Obwohl Indizien die Angeklagte entlasteten, konnten sich Staatsanwaltschaft und Gericht nicht dazu durchringen, den Prozess einzustellen. „Dass Sie für etwas bezahlt werden, was normalerweise nicht bezahlt wird, muss Sie doch stutzig gemacht haben“, erklärte Amtsrichter Thomas Krüger. Es sei doch nahe liegend, dass es sich hier um nicht legal erworbene Ware handle. In Betracht käme daher auch eine Bestrafung wegen Hehlerei.

Am Ende akzeptierte die Studentin schweren Herzens eine Geldstrafe in Höhe von 1400 Euro. „Meine Mandantin hat sich vielleicht ein bisschen naiv verhalten, aber die wahren Bösewichte sitzen woanders“, stellte ihr Verteidiger jedoch fest