Eine Frau steht in Göppingen an einer Fußgängerampel. Plötzlich rammt ihr ein Mann ein Messer in den Hals. Jetzt begann in Ulm der Prozess gegen den psychisch gestörten Täter.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Göppingen - Der Täter und sein Opfer, sie haben sich nicht gekannt, als sie sich am 7. Juli zur Mittagszeit in Göppingen begegneten. Sie sei gerade auf dem Weg in die Mittagspause gewesen, als sich an der Kreuzung Poststraße und Hohenstaufenstraße plötzlich ein unbekannter Mann neben sie gedrängt habe, sagte am Mittwoch eine 42-jährige Frau vor dem Landgericht Ulm aus. Die Fußgängerampel stand auf Rot. „Kennen wir uns?“, habe der Fremde gefragt. „Dann kam unvermittelt der Stoß.“ Eine Messerklinge fuhr der Frau in den Hals, knapp an der Schlagader vorbei. „Mach das nicht noch mal. Hast du verstanden“, habe der Angreifer gezischt, bevor er ohne Hast weitergegangen sei. Eine auf der anderen Straßenseite stehende Arbeitskollegin hat alles mitangesehen.

 

Ein Mann im Wahn

Der mutmaßliche Messerstecher ist ein 27 Jahre alter Mann aus Lauterstein. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf versuchten Toteschlag im Zustand der Schuldunfähigkeit. Der Angeklagte leidet an Schizophrenie, seine Tat am 7. Juli soll durch einen wahnhaften Schub ausgelöst worden sein. Einen Polizisten, der ihn etwa eine Stunde nach dem Angriff in einem nahe gelegenen Supermarkt festnahm, soll er gewarnt haben, er begehe eine „Gotteslästerung“. Der Angeklagte selber konnte sich beim Prozessauftakt nicht an viele Details erinnern. Er sei am Vormittag mit dem Bus nach Göppingen gefahren, um „den Tag in der Stadt zu verbringen“, schilderte er.

Bei der an der Kreuzung gelegenen Volksbank habe er Geld an einem Automaten abgehoben, habe dann in den Supermarkt gehen wollen, um etwas zu trinken zu kaufen, erzählte er. Dann sei er an die Ampel gekommen und habe die Frau neben sich gesehen. „Ich hab’ wahrscheinlich einen Schub gehabt“, so der 27-Jährige. An ein Gefühl der Bedrohung erinnerte er sich, genauer beschreiben konnte er es nicht. „Ich bin eigentlich kein Gewaltmensch. So was ist mir noch nie passiert.“ Dass ausgerechnet die 42-Jährige sein Opfer wurde, sei wohl ein reiner Zufall.

Die Medikamente nicht genommen

Schon seit Jahren wisse er von seiner psychischen Erkrankung, so der Angeklagte. Die ihm verschriebenen Medikamente habe er oft nicht genommen. Möglich auch, dass er am Vormittag des 7. Juli einen Joint geraucht habe. Im Mai, sagte er, habe er sich das Messer gekauft, mit dem er im Juli zugestochen habe. Stets habe er es in der Hosentasche mit sich geführt, „zum Schutz“. Wovor genau er sich fürchtete, vermochte der Mann nicht zu schildern.

Der vom Gericht bestellte Gutachter Heinrich Missenhardt, der Chefarzt der psychiatrischen Landesklinik in Bad Schussenried, wollte das so nicht glauben. In Bad Schussenried ist der Angeklagte seit seiner Festnahme untergebracht. Missenhardt zitierte aus einem Gesprächsprotokoll mit dem 27-Jährigen vom 8. Juli. Dabei habe der Angeklagte von einer „Dauermanipulation“ durch die „Mafia“ gesprochen, von „außerirdischen Kräften“ und auch von einem Bruder, in dessen einem Auge sich eine Kamera befunden habe.

Die äußere Wunde verheilt

„Ich schäme mich“, sagte der 27-Jährige zu den Vorhalten lediglich. Er habe „niemals in Tötungsabsicht“ gehandelt. Das Gericht will Ende Januar entscheiden, ob der Angeklagte in der Psychiatrie bleiben muss. Das 42-jährige Opfer sagte, die zwei Zentimeter lange Narbe an seinem Hals sei bald verheilt. Sie gehe aber „nicht mehr alleine joggen“, fuhr die Frau fort, und sie müsse die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch nehmen.