Ein Mann hat in einer Bahnhofskneipe in Bietigheim einen Bekannten mit einem Bierkrug malträtiert und steht deshalb vor Gericht. Beim Prozessauftakt spielen sich ungewöhnliche Szenen ab.

Heilbron/Bietigheim-Bissingen - Das gibt es auch nicht alle Tage im Gericht: Mit einem aufmunternden Lächeln verabschiedet sich das Opfer nach seiner Zeugenaussage vom Angeklagten und räumt eine Mitschuld ein. Dennoch: für den jungen Angeklagten steht viel auf dem Spiel, denn für schwere räuberische Erpressung, die ihm neben Körperverletzung und Diebstahl vorgeworfen wird, sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vor.

 

Die beiden Männer waren sich Mitte August des vergangenen Jahres in einer Bahnhofskneipe in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) gegen 6.30 Uhr begegnet. Beide waren betrunken. Der 23 Jahre alte Angeklagte hatte am Abend zuvor in Stuttgarts Grünanlagen gefeiert und weiß nicht mehr, wie er von dort in die Kneipe nach Bietigheim gekommen war. Der 46-Jährige war mit einer Bekannten dort und versuchte sein Glück am Spielautomaten.

Die Begegnung begann harmlos

„Er schien kein Geld zu haben, da lud ich ihn zu einem Getränk ein, und wir kamen ins Gespräch“, berichtete der 46-Jährige aus Stuttgart zum Auftakt des Verfahrens am Heilbronner Landgericht über die Begegnung. Es folgten weitere Getränke, und der Ältere erfuhr die „tragische Lebensgeschichte“ des Jüngeren. Als dieser ihn aber um Bargeld bat, lehnte Stuttgarter „energisch ab“. Getränk und Essen würde er hingegen gern ausgeben, sagte er ihm.

Der 23-Jährige war seinen Worten zufolge im März 2018 in Bietigheim-Bissingen gelandet, nachdem er sich zwei Jahre zuvor per Boot von Libyen aus in Richtung Europa aufgemacht hatte. Davor hatte der gebürtige Somalier bereits mehrere Stationen in Afrika hinter sich: Nach dem Tod seines Vaters hatte ihn eine Tante in Südafrika aufgenommen, da war er acht Jahre alt. Als die Tante 2012 starb, ging er mit deren Sohn nach Angola, wo letzterer ein Geschäft eröffnete. Seine Mutter lebte da bereits mit seinen drei Geschwistern in den USA. Als er 2015 nach Somalia zurückkehrte, versuchte die islamistische al-Shabaab Miliz, ihn für einen Job rekrutieren. Daraufhin floh er außer Landes – der Beginn einer Odyssee, die ihn an Deutschland führen sollte.

In der Bahnhofskneipe änderte sich nach etwa einer Stunde offenbar die Stimmung. „Der Jüngere mischte sich in das Spiel ein, drückte auf den Knöpfen herum und nervte den Mann am Automaten“, erzählte die Bedienung des Lokals. Als der dieser aufstand, um zur Toilette zu gehen, folgte ihm der Angeklagte, in der einen Hand sein Bierglas fest umklammert.

Der Auslöser des Streits: ein Handy

„Er bedrängte mich, nahm mir das Handy aus der Hosentasche und lief nach draußen“, erzählte das Opfer. Auf Zureden der Bedienung kehrte der Angeklagte zurück ins Lokal, beteuerte zunächst, das Handy nicht zu haben, um dann erst zehn, 20 und noch 50 Euro Bargeld im Gegenzug für das Handy zu fordern. Beim anschließenden Handgemenge der beiden wehrte der Ältere mit Fäusten den Jüngeren ab, der mehrmals mit seinem Bierglas auf den Kopf des Opfers schlug. Der 46-Jährige trug eine sechs Zentimeter offene Wunde an der Stirn und einen gebrochenen Daumen davon, der Angeklagte berichtete den Prozessbeteiligten von Schmerzen an Stirn, Schulter und Hüfte.

„Ich hatte Pech am Automaten. Das habe ich wohl verbal zu aggressiv an ihm ausgelassen“, sagte das Opfer selbstkritisch. Der Angeklagte wiederum entschuldigte sich im Gerichtssaal beim Opfer, er habe ihn nicht verletzen wollen. Der Prozess wird am 22. März fortgesetzt.