Auf Mallorca haben Polizisten und ein Staatsanwalt jahrelang Beweise gegen einen Clubbetreiber gesammelt. Heute weiß man: Viele davon waren fabriziert. Gegen die Ermittler wird jetzt selbst ermittelt.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Der Staatsanwalt machte ein ernstes Gesicht. Sein Plädoyer, sagte der Anklagevertreter, als am Provinzgericht der Balearen in Palma de Mallorca einer der spektakulärsten spanischen Korruptionsprozesse der jüngsten Zeit zu Ende ging, solle nicht nur erklären, warum er seine Beschuldigungen zurückgezogen habe. Sondern er wolle auch vor den Angeklagten eingestehen, „dass ihnen Unrecht geschehen ist“. Die letzten Worte waren kaum noch zu hören. Dem Staatsanwalt brach die Stimme. Die Angeklagten und ihre Anwälte brauchten einen Moment, um zu begreifen, was sie gerade gehört hatten. Dann klatschten sie Beifall. Ein seltener Moment in einem Gerichtssaal.

 

Es war ein Fall mit den Zutaten einer Fernsehserie. Ein König der Nacht – Bartolomé Cursach, Betreiber unter anderem des besonders bei Deutschen beliebten „Megaparks“ an der Playa de Palma –, der seine Konkurrenz mit Hilfe von Polizisten und Lokalpolitikern kleinzuhalten versuchte und der diese Polizisten und Politiker zur Belohnung auf Sex- und Drogenpartys einlud. Dazu ein Tötungsdelikt: Ein Exmitarbeiter sei mit einer Überdosis Drogen zu Tode gebracht worden, um auf diese Weise einen Fall von Kindesmissbrauch unter der Decke zu halten.

Der fall hat die Justiz mehr als neun Jahre beschäftigt

Cursach wanderte für mehr als ein Jahr als Untersuchungshäftling ins Gefängnis. Mehr als 40 Beschuldigte teilten sein Schicksal mindestens zeitweise, gegen insgesamt 23 wurde Anklage erhoben. Bis auf zwei Polizisten sind jetzt alle freigesprochen worden. Der Fall, der die Mallorquiner Justiz mehr als neun Jahre beschäftigte, ist in sich zusammengebrochen. Stattdessen wird gegen die Ermittler ermittelt.

Der Chefredakteur der deutschsprachigen Mallorca-Zeitung fragt sich in einem Kommentar: „Kann es wirklich sein, dass an all dem, worüber auch in dieser Zeitung über Jahre hinweg berichtet wurde, nichts dran war?“ Die Frage stellen sich viele. Einer der Angeklagten, Tolo Sbert, ein enger Mitarbeiter Cursachs, sagte: „Für die Menschen da draußen werden wir für immer die Mafia sein.“ Dass ein ganzer Trupp von Ermittlern jahrelang bestenfalls dünne und manchmal auch fabrizierte Beweise gegen die Beschuldigten gesammelt haben soll, ist schwer zu verdauen. Auf Mallorca habe es ein polizeiliches Erpressungsnetzwerk gegeben, „das sich auf Dauer im Verbrechen eingerichtet hatte“, schrieben die Ankläger.

Von den Verdachtsfällen ist nichts übrig geblieben

Jetzt sind die Ankläger selbst die Beklagten. Sechs von ihnen, einen ehemaligen Untersuchungsrichter, einen ehemaligen Staatsanwalt und vier Polizisten, erwartet demnächst ein Prozess unter anderem wegen Falschaussage, Nötigung, Behinderung der Justiz und Offenlegung von Geheimnissen. Vielleicht kommt noch Freiheitsberaubung hinzu.

Von den Verdächtigungen gegen Cursach und dessen Mitangeklagte war im Laufe des Verfahrens nichts übrig geblieben. Die Zeugin Nummer 31 stellte sich als „Madame“ vor, die den Beschuldigten Prostituierte zugeführt haben wollte, ohne dass sie dafür Belege beibringen konnte. Zeuge Nummer 13 berichtete von wöchentlichen Schutzgeldzahlungen über 500 Euro und versprach, Buchführungsgeheimnisse der Cursach-Gruppe lüften zu können, was er nie tat. Eine Polizeiexpertin für Geldwäsche plagten erstaunliche Erinnerungslücken.

Die Ermittler waren offenbar von ungesundem Ehrgeiz getrieben. In einer Whatsapp-Gruppe nannten sie sich „die Unbestechlichen“. Als sich aus ersten Verdachtsmomenten keine solide Anklage bauen ließ, hätten sie „die Flucht nach vorne“ angetreten, glaubt einer der ursprünglich Beschuldigten. Ob diese Darstellung der Ereignisse stimmt – oder ob auch die Klage gegen die Kläger in sich zusammenbrechen wird –, muss sich im kommenden Prozess gegen die Cursach-Ermittler zeigen.