Das Amtsgericht spricht einen 45-jährigen Mann frei. Der Hauptbelastungszeuge ist gestorben.

Leonberg - Aus einem Gefängnis in Frankfurt, wo er eine Haftstrafe wegen eines Drogendelikts absitzt, ist der Mann auf der Anklagebank des Leonberger Amtsgerichts vorgeführt worden. Auch hier stand der 45-Jährige wegen eines Rauschgiftdeals im Visier der Staatsanwaltschaft. Diese warf dem Kroaten vor, er habe einem Landsmann, der ihm 2000 Euro für eine Autoreparatur geschuldet habe, einen Deal vorgeschlagen: Er würde ihm die Schulden erlassen, wenn er für ihn rund 200 Gramm Kokain aus Holland nach Leonberg bringen würde. Der Kurier war im Mai 2014 im Zug in Emmerich kurz hinter der niederländischen Grenze festgenommen worden, ein Tütchen mit 207 Gramm Kokain fanden die Polizisten in seinem Schuh versteckt.

 

Von Anfang an hatte die Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren ein Problem: Der Kurier, den das Amtsgericht Kleve 2016 zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt hatte, war ein Jahr später an einer Krebserkrankung gestorben und konnte somit nicht mehr als Zeuge aussagen. Daher konnte die Anklagebehörde nur einen Stuttgarter Zollfahnder als Zeugen aufbieten, der den verstorbenen Kurier im Auftrag der Ermittler aus Kleve in Leonberg vernommen hatte.

Kräuter für Tee?

Dieser berichtete, dass der Kurier laut seiner Aussage vom Angeklagten beauftragt worden sei, „Kräuter für Tee“ aus ‘s-Hergotenbosch mit dem Zug zu besorgen, dann seien ihm seine Schulden erlassen. Dabei habe der Angeklagte eine „bedrohliche Mimik“ aufgesetzt. Wann der Kurier nach Holland hätte fahren sollen und wo die Drogen in Leonberg hätten übergeben werden sollen, sei jedoch nicht vereinbart gewesen. Er habe auch im Gegenzug kein Geld übergeben sollen.

Unterstützung bekam der Angeklagte von seinem Halbbruder, der sich als Zeuge ganz sicher war, dass der Angeklagte im Jahr 2014 keine Geschäfte mit dem Kurier gemacht hatte. „Ich habe damals eine Kneipe in Leonberg betrieben, mein Halbbruder war immer wieder mal da“, erklärte er im Brustton der Überzeugung. Auch zwei weitere Familienangehörige, die in Kroatien von den dortigen Behörden vernommen worden waren, entlasteten den Angeklagten durch ihre Aussagen, die im Prozess verlesen wurden: Die Ehefrau und die Großmutter erklärten übereinstimmend, der Angeklagte sei 2014 das ganze Jahr lang in Kroatien gewesen. „Gearbeitet hat er nichts, aber er hatte immer Geld“, hatten beide ausgesagt.

15 Vorstrafen

Der Staatsanwalt beantragte in seinem Schlussplädoyer dennoch eine dreieinhalbjährige Haftstrafe für den 45-Jährigen, der bereits 15 Vorstrafen hatte, darunter mehrere wegen Drogendelikten. Die Aussagen des Kuriers beim Zollfahnder seien stringent gewesen. Die Aussagen der Familienangehörigen seien hingegen wenig glaubhaft, da sie dem Angeklagten quasi „ein Jahres-Alibi“ gegeben hätten.

Der Verteidiger plädierte hingegen auf Freispruch, da dem Angeklagten kein Einfluss auf die Kurierfahrt nachzuweisen sei. Den Hauptbelastungszeugen könne man nicht mehr befragen, es seien jedoch noch viele Details offen. Die Vernehmung durch den Stuttgarter Zollfahnder sei oberflächlich gewesen, zudem habe der Kurier wegen seiner Krebserkrankung unter starken Medikamenten gestanden und daher als Zeuge nur eingeschränkt tauglich gewesen.

Am Ende sprach Amtsrichterin Sandra De Falco den 45-Jährigen vom Vorwurf der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge frei. Trotz der einschlägigen Vorstrafen habe man den Tatbeitrag nicht sicher ermitteln können. Er habe weder Einfluss auf den Zeitpunkt, noch auf die Route der Fahrt des Kuriers gehabt. Zudem sei ungeklärt, warum der Kurier zwei Handys, 740 Euro in bar und einen Zettel mit Telefonnummern bei sich getragen habe. „Es bleiben zu viele Fragen offen. Und da die Unschuldsvermutung ein hohes Gut ist, muss der Angeklagte mangels Beweisen freigesprochen werden“, erklärte die Richterin.