Das Landgericht Stuttgart verurteilt einen 22-jährigen aus dem Raum Leonberg zu fast vier Jahren Gefängnis.

Es ist ein erschütternder Fall, der vor Kurzem am Landgericht Stuttgart nach rund zweiwöchiger Verhandlung – teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit – ein Ende gefunden hat: Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in mehr als 20 Fällen, Körperverletzung, Nötigung und Besitz kinderpornografischer Inhalte muss ein 22-Jähriger für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Unter dem Vorsitz von Sina Rieberg sah es das Gericht als erwiesen an, dass der junge Mann in den Jahren 2019 und 2020 im Alter von 19 Jahren mit seinem Smartphone über den Messaging-Dienst Snapchat Kontakt zu zehn bis 14 Jahre alten Mädchen aufgenommen und diese aufgefordert hatte, ihm Nacktbilder und Fotos in aufreizenden Posen zu schicken.

 

Während die Mädchen dachten, dass sich die Bilder nach einmaligem Anschauen löschen würden, kopierte der Angeklagte die Fotos und Videos mit einer anderen App und speicherte sie auf seinem Smartphone ab. Teilweise gab er sich bei der Kontaktaufnahme als ungefähr gleichaltriges Mädchen aus. Im Gegenzug schickte er den jungen Mädchen häufig Bilder seines erigierten Penis.

Geständnis und Entschuldigung

Von manchen seiner Opfer erhielt er bis zu 60 Bildern. Bisweilen setzte er psychische Druckmittel ein, um an die Nacktbilder zu bekommen: mal erklärte er, er sei depressiv und würde sich etwas antun, wenn er keine Bilder bekäme. Dann drohte er einem Mädchen, deren Familie zu entführen, immer wieder auch, die Bilder an andere Freundinnen weiterzuleiten.

Geständnis und Entschuldigung

Einige der Mädchen konnte er zu Treffen mit ihm überreden. Mit einer 13-Jährigen hatte er sogar eine Beziehung und regelmäßig Sex, wovon er Bilder und Videos machte. Mit mehreren Mädchen hatte er Geschlechtsverkehr in seinem Auto an abgelegenen Orten oder auch auf einem Hochsitz. Alle Tatvorwürfe hatte der 22-Jährige am ersten Verhandlungstag über seinen Verteidiger eingeräumt und den Mädchen damit eine Aussage vor Gericht erspart. Zudem hatte er sich entschuldigt.

Bei der Urteilsverkündung kam auch nochmals die ebenso traurige Vorgeschichte des Mannes zur Sprache: Als Kind wurde bei ihm ADHS diagnostiziert, er machte eine mehrjährige Therapie und bekam bis zu seiner Inhaftierung regelmäßig Medikamente. „Er war ein sehr lebendiges Kind, das andere Kinder beim Spielen gestört hat“, sagte die Vorsitzende Richterin über die Kindergarten- und Grundschulzeit des 22-Jährigen.

Was gab den Ausschlag?

Auch auf der weiterführenden Schule sei es ihm nicht besser ergangen. „Mobbing und Schläge gehörten bei dem körperlich unterentwickelten Jungen zum Alltag“, führte Rieberg weiter aus. Er selbst hatte als Beispiele angeführt, dass er in den Mülleimer gesteckt wurde und in seine Trinkflasche hineingepinkelt wurde. Anschließend absolvierte der Angeklagte eine Lehre zum Mechatroniker, bei der er ein Lehrjahr wiederholen musste, weil sich seine Freundin von ihm nach fast vier Jahren getrennt hatte. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, so der junge Mann.

Hintergrund war, wie Richterin Rieberg in der Urteilsbegründung ausführte, dass die Freundin regelmäßig viel Zeit bei ihm verbracht hatte, nachdem ihre Mutter in ein Pflegeheim gekommen war. Sogar einen Heiratsantrag habe er ihr auf ihr Bitten hin gemacht. Wenige Monate später gab sie ihm stattdessen den Laufpass, nachdem sie ihn mit seinem besten Freund betrogen hatte.

Der Griff zur Flasche

Das führte auch dazu, dass der Angeklagte zum Alkohol griff. Ein Ende fand dies erst, als die Polizei im Januar vergangenen Jahres sein Zimmer durchsuchte und sein Handy beschlagnahmte. Der 22-Jährige suchte professionelle Hilfe bei Psychologen, schaffte es aber nur auf zwei Wartelisten. Seine Eltern ließ er nicht richtig an sich heran. Mit seinem Vater hatte er wegen dessen Alkoholkonsum schon drei Jahre lang häufig Probleme gehabt. Seit Ende November saß er in Untersuchungshaft, der sich nun eine weitere lange Zeit anschließt.