Das Amtsgericht verurteilt einen 22-Jährigen, der mit zu hohem Tempo durch die Innenstadt gebrettert ist.

Leonberg - Es war ein Satz, der den Anwesenden im Gerichtssaal kurz den Atem stocken ließ: „Wenn mich meine Lehrerin nicht zurückgezogen hätte, wäre ich überfahren worden“, sagte ein achtjähriger Schüler kürzlich mit leiser, aber klarer Stimme im Leonberger Amtsgericht.

 

Auf der Anklagebank saß ein 22-jähriger Student, dem die Staatsanwaltschaft fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs vorwarf. Er soll im Juli vergangenen Jahres an der Kreuzung Bahnhof- und Grabenstraße mit mindestens Tempo 60 an einer Gruppe von Grundschülern vorbeigefahren sein, die von der Seestraße kommend die Straße überqueren wollte. Ein achtjähriger Schüler sei dabei vor Schreck gestürzt und nur durch Glück nicht verletzt worden.

Schritttempo oder Fuß am Gas?

Der 22-jährige Angeklagte war sich keiner Schuld bewusst: Er sei an der fraglichen Stelle seiner Erinnerung nach eine Viertelstunde vor der Tatzeit vorbeigekommen. Er sei geblitzt worden und dann mehrere Sekunden lang stehen geblieben, da er herausfinden wollte, wo der Blitzer sei. Dann sei er im Schritttempo auf die Kreuzung zugefahren und zu seiner Freundin nach Waiblingen gefahren. Eine Schulklasse habe er dort nicht gesehen.

Der Achtjährige erinnerte sich jedoch ziemlich genau, dass „ein schwarzes Auto die Bahnhofstraße hochgebrettert“ sei, gerade als er die Straße betreten habe. Er sei erschrocken und auf der nassen Straße ausgerutscht. Das Auto sei knapp an ihm vorbeigefahren, dann habe ihn die Lehrerin hoch- und auf den Gehweg zurückgezogen, erklärte der Schüler, der bei seiner Aussage neben seiner Mutter saß.

Lehrerin: „So ein Vorfall ist mir noch nie passiert“

Auch die Lehrerin konnte sich an den Vorfall noch gut erinnern: Sie sei mit drei Klassen auf dem Rückweg vom Stadtpark zur Spitalschule gewesen und habe die Schüler in kleinen Gruppen über die Straße gehen lassen. Als sie sich zur nächsten Gruppe umgedreht habe, sei ihr das Auto aufgefallen, das mit mindestens 80 Sachen unterwegs gewesen sei. Sie habe dann den Namen des Jungen gerufen. Dieser habe abrupt gestoppt und sei dann ausgerutscht und gestürzt. „Das Auto kam wie aus dem Nichts. Ich gucke immer, dass die Straße frei ist. So ein Vorfall ist mir in 30 Jahren als Lehrerin noch nie passiert“, führte die 60-Jährige aus, die noch am gleichen Tag Anzeige bei der Polizei erstattete.

Farbe und Kennzeichen des Autos habe sie nicht erkannt. Sie habe dem Achtjährigen, der aufgewühlt gewesen sei und einen blauen Fleck davongetragen habe, aber versprochen, den Vorfall nicht auf sich beruhen zu lassen. Der Fahrer sei auch nicht ausgewichen und nur circa einen Meter an dem Schüler vorgefahren.

Anhaltspunkt: Schwarzes Auto

Auf die Spur des Angeklagten war die Polizei gekommen, weil dieser ein schwarzes Fahrzeug fuhr und dieses das einzige war, das circa 45 Minuten vor und nach der Tatzeit geblitzt worden war. Das hatte eine Auswertung der Überwachungskamera durch das Ordnungsamt der Stadt ergeben. Ein Polizeibeamter erklärte im Zeugenstand, die Lehrerin und der achtjährige Schüler hätten den Sachverhalt nahezu identisch geschildert.

Richter Thomas Krüger empfahl dem Angeklagten daraufhin, seinen Einspruch gegen den Strafbefehl, in dem eine Geldstrafe von 900 Euro und eine achtmonatige Führerscheinsperre verhängt worden war, zurückzunehmen. „Im schlimmsten Fall könnten wir zu der Ansicht gelangen, dass auch noch Ihr Auto eingezogen wird“, mahnte er.

Zu der Rücknahme rang sich der 22-Jährige nach Rücksprache mit seinem Anwalt durch, sodass er mit der Geldstrafe und einer noch restlichen Sperre von fünf Monaten den Gerichtssaal verließ.