Ein 29-Jähriger aus Weil der Stadt soll einen 17-Jährigen zum Sex gezwungen zu haben. Dessen Aussagen sind widersprüchlich.

Leonberg - Der Mann auf der Anklagebank des Leonberger Amtsgerichts trägt Brille und Kurzhaarschnitt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen vor: Er soll im Mai vergangenen Jahres einen 17-Jährigen, den er über eine Dating-App für homosexuelle Männer kennengelernt habe, in einem Zimmer in Weil der Stadt zu Oral- und Analsex genötigt haben und ihm dafür 50 Euro gezahlt haben. Die Anklage lautet auf Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch von Jugendlichen.

 

Den gemeinsamen Sex und die Bekanntschaft über die Dating-App räumt der 29-Jährige unumwunden ein. „Ich war auf der Suche nach sexuellen Erfahrungen mit Männern“, erklärte der Angeklagte. Allerdings sei bei dem Treffen alles einvernehmlich abgelaufen.

Kennengelernt habe er den 17-Jährigen zwei Tage vor dem Treffen über eine Dating-App für Homosexuelle. „Er sah volljährig aus und hatte im Profil angegeben, dass er 18 sei“, berichtete der Angeklagte. Allerdings sei man sich anfangs nicht über die Bezahlung einig geworden. Er habe zunächst ein Taschengeld von 200 bis 300 Euro gefordert, was ihm viel zu teuer gewesen sei. Daher hätten sie beide zunächst Abstand voneinander genommen. Zwei Tage später hätten sie sich dann am Abend in Weil der Stadt verabredet.

Letztes Wort: 50 Euro

Den ganzen Tag über hätten sie zusammen gechattet und sich gegenseitig Fotos geschickt. Er habe ihm klar gemacht, dass 50 Euro als Bezahlung sein letztes Wort sei. Am Abend habe er ihn vor einem Lebensmittelmarkt abgeholt und sei mit ihm zu einem Probenraum für Musikbands gefahren. „Im Auto haben wir ein paar Worte gewechselt, er hat psychische Probleme angedeutet“, erzählte der Angeklagte. Im Probenraum hätten sie sich dann gegenseitig die Hosen heruntergezogen und zusammen mehrfach Oral- und Analverkehr gehabt. „Ich hatte ihn vorher stets gefragt, und er war immer einverstanden“, meinte der 29-Jährige.

Am Ende habe er den Probenraum gesäubert und seinem Sexpartner die 50 Euro gegeben. „Er sagte dann noch, man könne sich ja öfter treffen“, erklärte der Angeklagte. Weder im Auto noch in dem Probenraum habe der junge Mann irgendwann zu erkennen gegeben, dass er etwas nicht wolle. „Es war eher das Gegenteil, den Geräuschen nach hat es ihm gefallen“, führte der Angeklagte weiter aus. Die Vernehmung des zur Tatzeit minderjährigen Jungen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. „Ich will vermeiden, dass der Junge noch einmal traumatisiert wird“, erklärte seine Anwältin, die ihn als Nebenkläger vertrat.

Augen zu und durch?

Ein Polizist bestätigte im Zeugenstand im Wesentlichen den vom Angeklagten geschilderten Ablauf. Allerdings habe der 17-Jährige auf der Fahrt im Auto „einen entgegengesetzten Willen“ gezeigt, weil ihm der Charakter und das Aussehen des 29-Jährigen nicht gefallen hätten. „Der Angeklagte hat ihn dann mit dem Hinweis auf das Geld überredet und ihm vorgeschlagen, nach dem Motto ‚Augen zu und durch‘ zu handeln“, führte der Polizist weiter aus. Zu der Anzeige sei es erst nach einer Untersuchung im Krankenhaus und dem Gespräch mit einem Betreuer in der Jugendhilfeeinrichtung gekommen, in der der 17-Jährige damals gelebt habe. „Da hat die Sache wohl eine gewisse Eigendynamik gekriegt“, meinte der Beamte.

Nach mehr als zweistündiger Verhandlung sprach Richter Thomas Krüger den Angeklagten von den Vorwürfen der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen frei. Der Sex sei einvernehmlich und nicht gegen den Willen des jungen Mannes gewesen. „Falls er sich im Laufe des Abends innerlich davon distanziert hätte, war das nach außen weder im Auto noch im Zimmer erkennbar“, meinte Krüger.

Widersprüchliche Aussagen

Es habe sich für den Angeklagten auch nicht aufgedrängt, dass sein Sexpartner minderjährig sei. „Die Aussagen des jungen Mannes waren sehr vage und widersprüchlich“, meinte der Richter. Selbst wenn der Angeklagte aus dem Chatverlauf entnehmen konnte, dass der damals 17-Jährige in einer Jugendeinrichtung lebte, sei es nicht seine Pflicht gewesen, das weiter zu erforschen.

Mit dem Urteil entsprach Richter Thomas Krüger dem Antrag der Verteidigung. Die Staatsanwältin hatte eine Bewährungsstrafe von neun Monaten gefordert.