Er wollte Taxi fahren, hatte aber kein Geld. Also bedrohte er den Chauffeur mit einem Messer. Jetzt ist der Mann in Stuttgart verurteilt worden.

Stuttgart - Verteidiger Markus Okolisan spricht Klartext. Er sagt, was normalerweise dem Gericht vorbehalten ist. „Die Tat war an Unsinnigkeit kaum zu überbieten.“ Sein Mandant sei angemessen bestraft worden. 18,40 Euro standen am 12. März dieses Jahres auf dem Taxameter. Der Angeklagte hatte kein Geld und bezahlte den Taxifahrer dementsprechend nicht. Jetzt ist der 35-Jährige verurteilt worden. Verteidiger Okolisan und die Richterinnen und Richter der 19. Strafkammer sehen dies als Chance für den Mann. Zu sagen, der Angeklagte komme wegen 18,40 Euro hinter Gitter, trifft den Kern der Sache nicht. Denn der in der russischen Föderation geborene Mann deutscher Abstammung hat nicht einfach die Zeche geprellt und ist davongelaufen. Er hat, das hat er gestanden, den Taxifahrer mit einem Messer bedroht. Und er hat eine ihm unbekannte junge Frau auch mit in die Angelegenheit hineingezogen.

 

In der Innenstadt hatte der Angeklagte in der Nacht auf den 12. März einige hochprozentige Getränke und mehrere Nasen Kokain einverleibt. Seine damalige Freundin wohnt in Heumaden, er hatte die Idee, sie mit einem Besuch zu überraschen. Die Stadtbahn fuhr noch bis Degerloch, dann war Schluss. Am dortigen Taxistand traf er auf besagte junge Frau. Der 35-Jährige gab den Galan und lud sie ein, mitzufahren, er zahle. An der Bockelstraße in Heumaden ließ er den Chauffeur anhalten. „Ich war total neben mir“, sagt er vor Gericht. Dem Taxifahrer teilet er mit, er habe kein Geld. „Aber ein Messer.“

Mit 14 Jahren erstmals Kontakt zu Drogen

Der Zechpreller stieg aus und ging ruhigen Schrittes davon. Die Frau folgte ihm ein Stück, kam dann aber zum Taxi zurück – aus Angst vor dem Mann mit dem Messer. Dieser wurde nur kurze Zeit später festgenommen.

Es hätte gut laufen können für den intelligenten und eloquenten Burschen. 1993 war er mit seiner Familie ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland übergesiedelt. Er war fleißig, absolvierte Real- und Fachhochschule und beendete in Stuttgart ein Architekturstudium. Er fand auch eine Anstellung, verlor den Job, den er als Highlight seines Lebens bezeichnet, weil er zu viele Fehlzeiten wegen seiner Drogensucht hatte.

Im Alter von 14 Jahren zog er erstmals an einer Marihuanazigarette. Seine Drogenkarriere setzte er mit Speed, Kokain und Heroin fort. Unter Drogen, oft gemischt mit Alkohol, geriet er regelmäßig in Prügeleien. Er muss mehrere Male ins Gefängnis. Er hätte Architekt sein können, stattdessen lebte er zuletzt von Hartz IV und schlief in einer Notunterkunft an der Hauptstätter Straße in der Stuttgarter Innenstadt.

Urteil: Schwere räuberische Erpressung

Eine Therapie, die den Namen verdient, hat der Angeklagte nicht gemacht. Eine solche sei aber dringend erforderlich, sagt der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann. Sonst zähle der Mann weiterhin zu den Stammkunden der Justiz.

Oberstaatsanwalt Matthias Schweitzer will, dass der Angeklagte für vier Jahre und sechs Monate ins Gefängnis kommt. Verteidiger Okolisan stellt keinen konkreten Antrag, betont allerdings, dass sein Mandant ein Geständnis abgelegt habe und sich glaubhaft reuig zeige.

Am Ende verurteilen die Richterinnen und Richter der 19. Strafkammer den Mann wegen schwerer räuberischer Erpressung zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Zudem wird verfügt, dass er in einer Entziehungsanstalt unterzubringen sei. „Die angeordnete Unterbringung kann für den schwer drogenabhängigen gelernten Architekten die Chance auf ein straffreies und geordnetes Leben sein“, sagt der Verteidiger. Und der Taxifahrer? Er sagt, er habe immer noch Angst, wenn er nachts fahre, aber: „Ich muss ja arbeiten.“