Fünf junge Männer aus Kernen müssen sich wegen Drogenhandels- und besitzes verantworten. Und das nur, weil einer von ihnen ins Visier des Staatsschutzes geraten war.

Rems-Murr: Sascha Sauer (sas)

Waiblingen/Kernen - Es wird eng im Saal des Amtsgerichts Waiblingen: Die fünf Angeklagten sitzen mit ihren fünf Verteidigern dem Staatsanwalt gegenüber. Die Männer im Alter zwischen 21 und 35 Jahren stehen wegen Handels und Besitzes von Marihuana und Kokain vor dem Richter. Es geht nicht um Drogendeals im großen Stil, die Angeklagten aus Kernen sind kleine Fische, die der Polizei nur durch einen Zufall ins Netz gegangen sind.

 

Zur Anklage kam es, weil einer von ihnen vom Staatsschutz überwacht wurde. Ein 22-Jähriger aus Algerien war ins Visier geraten, da er auf seinem Smartphone Bilder und Videos von der Terrormiliz IS gespeichert hatte. Auf diesen waren unter anderem Hinrichtungen zu sehen. Auf einigen Fotos zeigte sich der junge Mann selbst in typischen IS-Kämpfer-Posen. Doch dem nicht genug. So soll der Angeklagte auch Kontakt mit einem Islamisten gehabt haben, der tatsächlich für den IS gekämpft hat. Dieser soll inzwischen im Gefängnis sitzen, weil Sprengstoff bei ihm gefunden wurde.

Als Richter Kärcher den 22-Jährigen mit den Vorwürfen konfrontiert, zuckt der nur mit den Schultern. „Dass mein Bekannter Islamist ist, habe ich nicht gewusst. Und religiös bin ich auch nicht, ich habe noch nie in meinem Leben gebetet“, sagt der Angeklagte, der in Deutschland nur geduldet ist. Seit September sitzt er in Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft – aber nicht wegen islamistischer Umtriebe, sondern wegen Drogenhandels.

Der Staatsschutz hört das Telefon des Angeklagten ab

Die ganze Geschichte war ins Rollen gekommen, weil der Staatsschutz das Telefon des Algeriers abgehört hatte. Bei den Telefonaten soll er Marihuana oder Kokain zum Kauf angeboten haben. Aber auch Kaufabsichten von Drogen soll er bei einigen Gesprächen zum Ausdruck gebracht haben. Zwischen April und September 2018 soll es zu insgesamt 16 Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gekommen sein, die den fünf Männern aus Kernen vorgeworfen werden. Es geht meist um geringe Mengen Drogen. Beim größten bekannten Deal soll es um 100 Gramm Marihuana zum Kauf von 400 Euro gegangen sein. Laut Staatsanwaltschaft soll auch Kokain im Spiel gewesen sein. Das verneint der 22-jährige Algerier: „Ich rauche nur Marihuana.“ Auch die anderen vier Angeklagten bestreiten, mit dieser Droge etwas zu tun zu haben. „Mein Problem ist Alkohol, und den Mann aus Algerien kenne ich nicht“, sagt ein 35-Jähriger, der in einer Notunterkunft in Kernen wohnt. „Ich kiffe nur ab und zu“, erklärt ein 21-jähriger angehender Mechaniker. Und ein 28-jähriger Zahntechniker will weder ein Problem mit Drogen noch mit Alkohol haben. „Das Einzige, was ich dem Algerier je gegeben habe, war ein Teebeutel“, sagt er. Lediglich ein 26-Jähriger räumt vor Gericht ein, täglich zu kiffen. „Ich habe die letzten Jahre vom Erbe meines Vaters gelebt und nicht gearbeitet“, sagt er.

Ein Angeklagter wird zu einer Geldstrafe verurteilt

Weil die Angeklagten sich in ihren Aussagen teilweise widersprechen und auch das Kokain nicht zur Sprache kommt, wird die Verhandlung vor dem Schöffengericht auf Ende März vertagt. „Wir müssen uns zur Beweisaufnahme die Telefonaufnahmen anhören“, sagt Richter Kärcher.

Lediglich der 26-Jährige, der glaubhaft erzählte, dass er sich nur zweimal mit dem Algerier zum Kiffen bei ihm zu Hause getroffen und geringe Mengen Marihuana für den Eigenkonsum gekauft habe, wird zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt. „Mit Kokain habe ich aber nix zu tun gehabt“, sagt der Arbeitssuchende.