Ein 39-Jähriger, der im Oktober 2016 von einem Spezialkommando der Polizei von einem Dach in Ludwigsburg geholt werden musste, will seinem Opfer Schmerzensgeld zahlen. Vor Gericht gestand der Mann, seine Ex-Freundin attackiert zu haben – widersprach aber einem Teil der Anklage.

Ludwigsburg - Der 39 Jahre alte Mann, der im vergangenen Oktober seine Freundin im Flur vor deren Wohnung in Ludwigsburg-Eglosheim gewürgt und mit einem Messer attackiert haben soll, hat die Vorwürfe zugegeben. Am Mittwoch, dem zweiten Prozesstag vor dem Stuttgarter Landgericht, gaben seine Verteidiger eine entsprechende Erklärung ab.

 

Sie legten Wert auf die Feststellung, dass ihr Mandant seine Partnerin nicht habe umbringen wollen. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung, weil der Angeklagte sein Opfer mit der 20-Zentimeter-Klinge am Hals verletzt hatte. Das Beziehungsdrama hatte einen 20-stündigen Großeinsatz der Polizei ausgelöst: Der Mann hatte nach der Attacke gedroht, sich von einem Haus zu stürzen.

Sein Mandant habe sich an jenem Abend in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befunden, erklärte einer der Anwälte. In diesem Zustand habe er dem Opfer das Messer zwar an den Hals gehalten und eine Verletzung in Kauf genommen. Doch habe er die Klinge weggezogen und dabei den Hals verletzt, es habe sich nicht um einen absichtlichen Schnitt gehandelt. Den Würgegriff habe er zuvor selbst gelöst.

Die 37-Jährige, die am Mittwoch zum ersten Mal von den Richtern vernommen wurde, bestätigte diese Version in großen Teilen. Auch sie habe an dem Abend nicht den Eindruck gehabt, der Mann, den sie seit rund zehn Jahren kenne, habe sie töten wollen. Rund ein halbes Jahr nach den Geschehnissen sagte die Zahnarzthelferin: „Ich will nicht, dass er bestraft wird.“ Die Frau tritt in dem Verfahren nicht als Nebenklägerin auf, anders, als das bei vergleichbaren Fällen üblich ist. Am Mittwoch einigten sich die Parteien darauf, dass der Angeklagte 25 000 Euro an seine ehemalige Freundin zahlt.

Die Stunden an jenem Oktoberabend, um die es in der Verhandlung geht, schilderte die Frau unter Tränen. Nachdem der Angeklagte sie im Treppenhaus gewürgt habe, sei ihr „schwarz vor Augen geworden“. Trotzdem sei sie kurz darauf mit in die Wohnung ihrer Mutter gegangen, die im selben Haus ist. Dort verschanzte sich der 39-Jährige zusammen mit seinem Opfer vor der eintreffenden Polizei, sagt die Staatsanwaltschaft. Die Frau bestätigte, dass der Angeklagte die Tür geschlossen, ihren Kopf mit einer Hand gepackt und mit der anderen ein Messer an ihren Hals gehalten habe. „Wenn ihr reinkommt, bringe ich sie um“, habe der Angeklagte gesagt, schilderte die Frau. Bevor die Polizeibeamten schließlich die Tür eintreten konnten, sei er mit dem Messer an ihrem Hals entlanggefahren, bis sie mit der linken Hand die Klinge zu fassen bekam. Warum sie nach der ersten Attacke überhaupt mit in die Räume der Mutter ging? „Ich habe ihm vertraut“, sagte die 37-Jährige.

Zudem berichtete sie von einiger Gewalt, die sie in der Beziehung mit dem Angeklagten erlebt habe. Immer wieder sei man „aufeinander losgegangen“, von Ohrfeigen und blauen Augen war die Rede. Zeitweise sei sie auch in der Wohnung eingesperrt gewesen, damit niemand von den Verletzungen etwas mitbekomme. Ähnlich wie sich der Angeklagte gegenüber des psychiatrischen Gutachters geäußert hatte, berichtete auch die 37-Jährige von gemeinsamen Plänen, sich das Leben zu nehmen. Sie habe ihm auch versprochen, gemeinsam mit ihm zu sterben. „Doch eigentlich wollten wir beide nicht tot sein“, sagte die Frau.

Ihre Mutter, die die Attacke im Oktober miterlebte, sagte den Richtern: „Ich habe kurz geglaubt, meine Tochter ist tot.“ Ein Urteil soll kommende Woche fallen.