Im Doping-Prozess gegen Stefan Schumacher stützt der Ex-Radprofi Sebastian Lang die Version von Teamchef Holczer. Demnach soll die Antidopinghaltung beim Team Gerolsteiner eindeutig gewesen sein.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Leise Zweifel, ob es in seinem Berufsstand stets mit rechten Dingen zugeht, hat Sebastian Lang schon länger gehabt. „Da trainiert man mit viel Fleiß und Energie“, erzählt der Ex-Radprofi von seinen Erlebnissen, etwa nach Bergetappen der Tour de France, „und dann kommt man mit einer Stunde Rückstand ins Ziel.“

 

Von 2001 bis 2008 ist Sebastian Lang, immerhin Deutscher Zeitfahrmeister von 2006 und inzwischen als Betriebswirt tätig, Teil des Profiradteams Gerolsteiner gewesen. Im Juli 2008 hat der heute 33-Jährige in seiner Rolle als Edelhelfer für Stefan Schumacher die Grande Boucle unter die Räder genommen. Doch sein Kapitän wurde drei Monate nach Tour-Schluss der Manipulation mit dem Blutdopingpräparat Cera überführt – und ist nun vor dem Landgericht Stuttgart wegen Betrugs angeklagt.

Lang will stets sauber gefahren sein

Rund 150 000 Euro an Gehalt soll sich Schumacher zwischen Juli und Oktober 2008 erschwindelt haben. Doch der Nürtinger kontert, dass könne gar nicht sein – schließlich habe damals so ziemlich jeder im Profiradsport, also auch sein Ex-Teamchef Hans-Michael Holczer gewusst, dass bei Gerolsteiner und anderswo gedopt werde. Holczer hatte das Gehalt über seine Firma HSM-Marketing ausgezahlt.

Schumachers These wollte sich Lang am Dienstag im Zeugenstand der Großen Strafkammer unter dem Vorsitz des Richters Martin Friedrich nicht anschließen: „Die Antidopinghaltung bei Holczer und dem Team Gerolsteiner war eindeutig.“ Verdachtsmomente, das räumt Lang aber ein, die habe es in seinen zwölf Jahren als Radprofi anderenorts aber schon gegeben. „Ich war zunächst ziemlich blauäugig, als ich 2001 Profi wurde“, sagt er, „da habe ich mich nur auf die Rennen konzentriert.“

Doch es folgten die Momente wie jener am Jahresende 2002, als in Lang, der stets sauber gefahren sein will, erste Zweifel an der Seriosität aller Kollegen aufkamen. „Sebastian, ich habe dich Rennen fahren sehen“, berichtet der Erfurter vom Gespräch mit einem Zimmerkameraden, „aus dir könnte man einen richtigen Rennfahrer machen.“ Lang lehnte dankend ab, weil ihm gleich klar war, was „richtig“ bedeutete.

Spätestens 2006, nachdem im Zuge der Affäre um den Madrider Blutmischer Eufemiano Fuentes unter anderem Jan Ullrich vor dem Tourstart in Straßburg ausgeschlossen wurde, war auch Sebastian Lang klar: „Hier passiert etwas – und zwar nicht nur in Einzelfällen, sondern in ganzen Gruppen.“ Beweise, dass andere Fahrer dopten, die hatte aber auch Sebastian Lang nicht. „Und Gefühle reichten ja nicht aus.“

War Hans-Michael Holczer komplett ahnungslos?

Fraglich ist nun – und für den Prozess gegen Schumacher von entscheidender Bedeutung –, ob Hans-Michael Holczer inmitten dieser Gemengelage tatsächlich komplett ahnungslos gewesen sein kann. Konnte dem Chef entgehen, dass sich in seinem Gerolsteiner-Team neben Schumacher mit dem ebenfalls geständigen Österreicher Bernhard Kohl, der bei der Tour 2008 zunächst das Bergtrikot des besten Kletterers gewann, noch mindestens ein weiterer Cera-Doper befand? Falls nicht, könnte Schumacher, der auf Nachfrage Holczers 2008 Doping geleugnet hatte, für sich das Jan-Ullrich-Zitat geltend machen. Der hatte einst angesichts eines Pelotons voller Dopingsünder gesagt: „Ich habe niemanden betrogen.“

In ihrem Bemühen, den Herrenberger Holczer zumindest der Mitwisserschaft zu überführen, wollen Schumachers Anwälte Michael Lehner und Dieter Rössner im weiteren Prozessverlauf (nächster Termin: 17. Mai) auch die Österreicher Walter Mayer und Stefan Matschiner anhören lassen. Mayer ist ehemaliger Langläufer und Langlauftrainer und stand bei den Olympischen Spielen 2006 im Zentrum eines Dopingskandals im Biathlonteam Austria; Stefan Matschiner („Nur die Dummen werden erwischt“) ist verurteilter Dopingdealer – und hat bei der Tour 2007 und 2008 auch Bernhard Kohl beliefert und in Sachen Blutmanipulation betreut. Zu beiden, das behaupten zumindest Schumachers Verteidiger, soll Holczer einst mit Blick auf seine Rennfahrer gesagt haben: „Kümmert euch um meine schwächelnden Österreicher!“