Der 31-Jährige, der in Weinstadt eine Frau erwürgt haben soll, wird als „schillernder Charakter“ beschrieben. Kollegen und Freunde schildern ihn unterschiedlich.

Weinstadt/Stuttgart - Was ist das für ein Mensch, dieser 31-Jährige aus Weinstadt, der zugegeben hat, im Sommer seine 40-jährige On-Off-Freundin im Streit erwürgt zu haben? Dieser Frage ist die 9. Strafkammer des Landgerichts in Stuttgart am Donnerstag nachgegangen. Licht ins Dunkle seines Charakters sollte zunächst die Aussage seiner 23-jährigen festen Freundin bringen, mit der er zur Tatzeit im Juli zusammen wohnte und inzwischen ein Baby hat.

 

Freundin: Ganz normales Zusammenleben

Leise spricht die dunkelhaarige junge Frau im Gerichtssaal. Die Dolmetscherin übersetzt ihre Aussagen, die sie auf Ungarisch macht. Den Angeklagten habe sie bei ihrer Arbeitsstelle in Weinstadt kennen gelernt, als dieser 2017 dort anfing zu arbeiten. Er war ihr Chef – und im März 2018 wurde daraus mehr. Schon bald zog er bei ihr, ihrer Mutter und deren Lebensgefährten ein, im April 2019 zog das junge Paar in eine eigene Wohnung. „Wie war das Zusammenleben?“ möchte der Richter von ihr wissen. „Ganz normal“, ist ihre Antwort. Es habe keine Probleme gegeben, auch finanzieller Art nicht. Sie hätten sich Pläne für die Zukunft gemacht. Schließlich sei sie im Frühjahr schwanger geworden.

Das spätere Opfer, eine 40-Jährige aus Weinstadt, kannte die Freundin als frühere Arbeitskollegin. „Wir hatten kein gutes Verhältnis miteinander, wir haben nie geredet“, erzählt die junge Frau. „Als rauskam, dass wir zusammen sind, gab es Probleme.“ Die 40-Jährige sei eifersüchtig gewesen, wollte den Angeklagten für sich haben. Seit das spätere Opfer die Firma, in der alle drei gearbeitet hatten, Mitte 2018 verlassen hatte, beruhigte sich die Situation. „Sie war kein Thema mehr“, erzählt die 23-Jährige. Dass das so nicht stimmt, das weiß die junge Mutter inzwischen nur zu leidvoll.

Gutachter: Nichts Schuldminderndes

Zu Wort kommen unter anderem auch Arbeitskolleginnen, die ganz unterschiedliche Bilder von dem Angeklagten zeichnen: „Er war immer nett und korrekt“, sagt eine 48-Jährige. Eine Kollegin, Jahrgang 1956, berichtet, dass er unter verschiedensten Vorwänden von ihr Geld geliehen hatte: „Insgesamt waren es 13 000 Euro“, sagt die grauhaarige Frau. Er habe zwar das meiste zurückgezahlt, doch 1800 Euro würden bis heute noch fehlen.

Gute Einblicke in die Seelenlage des Angeklagten lassen die Aussagen einer weiteren Zeugin zu: Die blonde Frau, Jahrgang 1982, war zwischen 2011 und 2017 intensiv mit dem heute 31-Jährigen befreundet, hat ihm regelmäßig geholfen und ihn sogar bei sich wohnen lassen. Sie wusste von seiner Spielsucht. Immer wieder konnte sie ihn von Suizidplänen abbringen. Und er half ihr emotional durch ihre Trennung hindurch.

Dass die Psyche des Angeklagten mehrere, ganz unterschiedliche Facetten hat, das bestätigt der psychiatrische Gerichtsgutachter. „Er hat einen ausgesprochen schillernden Charakter“, berichtet er. Einerseits sei er lieb und hilfsbereit und dann wieder kalt, lügend und betrügend – und zeige Merkmale eines Empathiedefizits. „Es friert einem das Blut in den Adern, wenn man hört, wie er seine Eltern regelmäßig für tot erklärt, wenn er einen persönlichen Vorteil wittert“, so der Gutachter. Eine Persönlichkeitsstörung sieht der Fachmann allerdings nicht, lediglich eine komplexe Persönlichkeitsakzentuierung. „Es gibt nichts Schuldminderndes“, betont der Psychiater und kommt gleichzeitig zu dem Schluss: „Es war keine Affekttat, keine Kurzschlussreaktion“, in der der Angeklagte gehandelt und schließlich die 40-jährige Frau am frühen Morgen des 4. Juli in Weinstadt erwürgt hat.