Die Offenburger Staatsanwaltschaft hält den Angeklagten für schuldunfähig, sie will ihn in die Psychiatrie schicken.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Offenburg - Die Beweisaufnahme im Mordprozess gegen Saleban A. (27) vor dem Landgericht Offenburg, der am 16. August 2016 den Hausarzt Joachim T. (52) in dessen Praxis in Offenburg erstochen hat, ist beendet. Am Donnerstag haben Staatsanwaltschaft, Nebenkläger und Verteidiger ihre Schlussvorträge gehalten. Das Urteil der Schwurgerichtskammer soll am 12. März um 14 Uhr verkündet werden. Der abgelehnte Asylbewerber mit legalem Schutzstatus stammt nach eigenen Angaben nun doch nicht aus Somalia, sondern aus dem benachbarten Kleinstaat Dschibuti am Horn von Afrika.

 

Angeklagt hat die Offenburger Staatsanwaltschaft den Afrikaner wegen Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung. Am Tathergang selbst gibt es nach der Beweisaufnahme und den Aussagen von Augenzeugen keinen Zweifel. Der Angeklagte indes leugnet die Tat und hat mehrfach behauptet, er wisse überhaupt nicht, wovon im Gerichtssaal geredet werde. Der Staatsanwalt Kai Stoffregen schilderte noch einmal, mit welcher Heftigkeit der allseits beliebte und in der Flüchtlingshilfe aktive Hausarzt am vorletzten Arbeitstag vor einem Familienurlaub in der Praxis von Saleban A. mit einer wahren Kaskade von mehr als 30 Messerstichen in Brust und Hals getötet wurde. Weil der Arzt arglos war, könne man den Angriff als heimtückisch einstufen, demnach als Mord bezeichnen.

Angeklagter hat wohl geglaubt er sei vergiftet worden

Saleban A. habe die Tat zudem von langer Hand geplant, das gehe aus den aufgefundenen handschriftlichen Aufzeichnungen hervor. Fast zwei Jahre vor der Tat war der Täter in Behandlung bei Joachim T. gewesen, er habe sich hinterher nach und nach in die Vorstellung hineingesteigert, er sei bei dem Arzt durch eine medizinisch nicht notwendige Blutabnahme vergiftet worden. „Der Täter hat im Wahn gehandelt“, erklärte Stoffregen, so gehe es aus dem Gutachten des Tübinger Psychiaters Stefan Bork hervor. Der forensische Experte hatte sich darauf festgelegt, dass der Angeklagte eine „paranoide Schizophrenie“ habe, eine krankhafte seelische Störung, die sogar weit über einen Wahn hinaus gehe. Und es bestehe „ein hohes Risiko erneuter gewalttätiger Handlungen“.

Damit, resümierte der Staatsanwalt, habe der Täter „nach außen hin“ zwar planvoll gehandelt, wohl aber „wahngesteuert“. Und bliebe somit nach Paragraf 20 des Strafgesetzbuchs „schuldunfähig“. Er kann also nicht als Mörder verurteilt werden. „Ich beantrage daher Freispruch und die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.“ Beim Wort Freispruch ging ein Raunen durch die gut gefüllten Zuschauerreihen, der zweite Teil des Satzes ging fast im Gemurmel unter. Der Freispruch bei einem nachgewiesenen Mord wegen der Schuldunfähigkeit des seelisch kranken Täters ist eine der heikelsten Zumutungen des Rechtsstaats für die Angehörigen und die aufmerksame Öffentlichkeit.

Der Rechtsanwalt Gerson Trüg, der Vertreter der Arztwitwe, die als Nebenklägerin ebenso wie ihre Tochter und die bei der Tat verletzte Arzthelferin auftritt, stellte keinen konkreten Antrag, wohl wissend, dass das Gericht am psychiatrischen Gutachten nicht vorbeiurteilen kann. Am rechtsstaatlichen Gebot, wonach kranke Täter nicht verurteilt werden dürfen, gebe es nichts zu rütteln. Der Anwalt wies aber darauf hin, dass der Psychiater das Gutachten ohne Mitwirkung des Angeklagten und nur auf der Kenntnis einiger Akten und kurzer Eindrücke habe erstellen müssen.

Die Anwälte verweisen auf das Leid, dass die Tat ausgelöst habe

Als Zweifel führte der Rechtsanwalt weiterhin an, dass der Angeklagte die Tat umsichtig und ohne Vorankündigung umgesetzt und das Opfer bewusst ausgewählt habe. Die Stiche seien gezielt auf den Kopf und in den Hals erfolgt. Die Tat sei also in dem Moment sehr wohl gesteuert gewesen. In die gleiche Kerbe schlugen die beiden anderen Nebenklägervertreter. Alle verwiesen auf das unendliche Leid, das die Tat bei der Familie ausgelöst habe. Die Tochter des getöteten Arztes wird demnächst ihren elften Geburtstag feiern – ohne ihren Vater. „In bewundernswerter Weise“ meistere sie mittlerweile wieder ihr Leben und unterstütze ihre Mutter, berichtete die Rechtsanwältin Stephanie Vogt.

Doch für alle Angehörigen würden langfristige Folgen bleiben. Und die Frage „Warum?“ würde immer im Raum stehen. „Es ist ein schlimmes Schicksal, was passiert ist“, räumte der Verteidiger Marc Kutschera ein und unterstützte den Antrag auf Unterbringung des Angeklagten in einer Klinik. In der Hoffnung, dieser erkenne irgendwann, was er angerichtet habe.