Fünf junge Männer müssen sich vor dem Landgericht Stuttgart für einen Angriff auf einen 27-Jährigen in Nürtingen verantworten. Zwei von ihnen sollen auf das Opfer aus der lokalen Punkszene eingestochen und es lebensgefährlich verletzt haben.

Nürtingen - Auf der Anklagebank der 4. Strafkammer geht es am Donnerstag, 23. Januar, eng zu. Denn zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Stuttgart werden dort fünf junge Männer Platz nehmen, zwei von ihnen wird unter anderem versuchter Mord vorgeworfen. Sie sollen im vergangenen Juli in Nürtingen einen 27-Jährigen mit einem Messer attackiert und getreten haben. Das mutmaßliche Motiv des Quintetts mutet trivial an: Es soll sich durch dessen T-Shirt-Aufdruck „Nürtinger Hurensöhne“ provoziert gefühlt haben. Doch handelt es sich dabei lediglich um einen Songtitel der lokalen Punkband Roidige Hunde.

 

Das Opfer ist Mitglied der Musikgruppe. Am Nachmittag des 4. Juli vergangenen Jahres hatte der Mann das T-Shirt getragen, als er im Zug nach Nürtingen saß. Dort traf er auf einen der beiden Haupttäter, einen 19-jährigen Mazedonier, der die textile Botschaft offenbar in den falschen Hals bekam und sich durch diese in seiner Ehre verletzt sah. Am Nürtinger Bahnhof trommelte er Freunde zusammen. Es sollen schließlich fünf Jugendliche und Heranwachsende gewesen sein, die den 27-Jährigen in der Straße Am Kührain in Nürtingen stellten.

Messer zur Verfügung gestellt

Dem 19-Jährigen und einem 17 Jahre alten Deutschtürken wird vorgeworfen, den 27-Jährigen niedergestochen und auf den am Boden Liegenden eingetreten zu haben. Er erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Die beiden Haupttäter sitzen ebenso in Untersuchungshaft wie ein weiterer 16 Jahre alter Deutscher, der wegen Beihilfe zu der Tat angeklagt ist – er soll ihnen sein Messer zur Verfügung gestellt haben. Zwei 15 Jahre alte Jugendliche, die ebenfalls vor der Kammer erscheinen müssen, befinden sich laut Heiner Römhild, dem Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, auf freiem Fuß. Sie waren bei dem Angriff zwar dabei, sollen aber lediglich geplant haben, dem Opfer zusammen mit den Kumpels eine Abreibung zu verpassen und ihm das aus ihrer Sicht provozierende T-Shirt abzunehmen.

Laut einem Flugblatt, das nach dem brutalen Angriff am Tatort von Mitgliedern und Anhängern der Punkband aufgehängt wurde, waren es schon bis zum Sommer vergangenen Jahres mehr als 70 Personen in Nürtingen und Umgebung, die ein solches T-Shirt „gerne und offen“ tragen. Es solle dadurch niemanden beleidigt werden. Jene, die das Shirt trügen, seien selbst Nürtinger und „stolz“ darauf.

Neun Verhandlungstage angesetzt

Der Esslinger Sozialwissenschaftler Kurt Möller geht davon aus, dass der 19-jährige mutmaßliche Messerstecher die Aufschrift „Nürtinger Hurensöhne“ gleich als „dreifache Provokation“ aufgefasst habe, wie er unserer Zeitung kurz nach der Tat erklärt hatte. Er habe sich dadurch offenbar in seiner männlichen Ehre gekränkt gefühlt, dies als einen „Angriff auf sein Territorium“ empfunden und sich zudem möglicherweise allein durch das Erscheinungsbild des Opfers – ein Angehöriger der Punkszene – provoziert gefühlt, sagte der Professor der Hochschule Esslingen. Dafür, dass es dann zu diesem Gewaltausbruch kam, könne unter anderem das „von einer klassischen Gewaltmoral geprägte männliche Selbstverständnis und dessen Weitergabe von Generation zu Generation“ sowie eine Gruppendynamik entscheidend sein, so Kurt Möller.

Für den Prozess an der 4. Strafkammer unter dem Vorsitz der Richterin Cornelie Eßlinger-Graf sind von Donnerstag, 23. Januar, bis zum Freitag, 21. Februar, neun Verhandlungstage angesetzt. An dieser Kammer wurde auch der sogenannte Jaguar-Raser-Prozess verhandelt.