Die Zahl hochstrittiger Paare in der psychologischen Beratung der Caritas im Landkreis Ludwigsburg wächst. Während die Eltern mit Gefühlen von Wut und Kränkung beschäftigt sind, geraten die Kinder oft aus dem Blick – mit zum Teil schwerwiegenden Folgen.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Rosenkriege sind nun kein neues Phänomen. Spätestens seit dem Hollywoodfilm, der diesen Begriff geprägt hat, ist vielen klar, dass Scheidungen bisweilen äußerst schmutzig ablaufen können. Zunehmend häufig jedoch werden die Auseinandersetzungen einer Trennung auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Die Zahl solcher hochstrittigen Paare ist nun so hoch, dass solche Fälle inzwischen sogar einen Schwerpunkt der psychologischen Beratung bei der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz bilden.

 

Wenn die Beziehung ihrer Eltern endet und eine Trennung oder Scheidung ansteht, geraten Kinder und Jugendliche nicht selten unter die Räder. „Schwerwiegende Probleme auf der Paarebene können den Blick auf die Kinder verstellen“, so Monika Miller. Sie ist bei der Caritas Fachleiterin im Bereich Soziale Hilfen. „Es gibt Eltern, die in solchen Situationen nicht mehr miteinander reden und nur noch über Anwälte kommunizieren“, sagt Miller.

Kinder leiden in mehrfacher Hinsicht

Eine Mischung aus Ärger, Kränkungen und Ängsten, die bei den Eltern hochkocht, schränkt die Wahrnehmung auf Sohn oder Tochter ein. Die Wut auf den Partner ist dann teilweise so groß, dass Mutter und Vater die Bedürfnisse und Interessen ihrer Kinder aus den Augen verlieren, selbst wenn sie miteinander um die Kinder streiten, etwa in Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren. In solchen Fällen schlägt das Familiengericht dann oftmals eine psychologische Beratung auf freiwilliger Basis vor.

Wie wirkt sich ein Rosenkrieg auf die Jüngsten aus? „Die Kinder leiden in vielerlei Hinsicht“, sagt Monika Miller. Wenn sich Vater und Mutter nicht mehr verstehen, belastet allein das schon den Nachwuchs. Eine Trennung bringt sie in einen Loyalitätskonflikt. Nicht selten geben sich die Kinder selbst die Schuld daran, dass die Beziehung der Eltern gescheitert ist. Noch schwieriger wird es allerdings, wenn sie in Streitereien hineingezogen werden und zum Zankapfel werden. „Wenn Eltern ihnen gegenüber schlecht voneinander sprechen, belastet das noch viel mehr“, erklärt die Sozialpädagogin.

Großer Zusammenbruch bleibt oft nicht aus

Nicht immer ist sofort ersichtlich, wie sehr die Kinder leiden. Manche verhalten sich sogar besonders angepasst. „Sie fühlen sich verantwortlich und denken, sie müssten funktionieren“, sagt Monika Miller. Wie es ihnen geht, sehe man ihnen nicht direkt an. Irgendwann komme es jedoch unweigerlich zum großen Zusammenbruch. Einige Kinder sind unkonzentriert in die Schule, manche schwänzen den Unterricht oder brechen komplett ab. Bei anderen entwickeln sich Ängste und Schlafstörungen. Wiederum andere verletzen sich selbst. Bei der Beratung der Caritas ist deshalb eine Heilpädagogin beteiligt, die darauf ihren Blick richtet.

Schon vor zehn Jahren hatte es die Caritas mit hochstrittigen Paaren zu tun. Seitdem gibt es einen kostenlosen Kurs für Eltern in Trennungskonflikten. Dabei sollen sie lernen, ihre eigenen Emotionen zu regulieren und ihre Erziehungskompetenz stärken. Im vergangenen Jahr haben 22 Elternteile an dem Kurs teilgenommen. Das sind mehr als vor der Pandemie.

Arbeit mit den Paaren ist sehr anstrengend

Auch darüber hinaus haben Monika Miller und ihre Kollegen gemerkt, das die Zahl hochstrittiger Paare in der psychologischen Familienberatung in Ludwigsburg größer geworden ist. Ein Fall pro Monat wird in der Regel vom Team unterstützt. Ein Expertentandem aus einem Berater und einer Beraterin trifft sich mit den Elternteilen, zunächst getrennt. Bereits die Terminfindung mit den zerstrittenen Erwachsenen sei oftmals schwierig. „Da fangen die Spielchen an“, erklärt Miller. Auch die eigentliche Arbeit mit den Paaren sei sehr anstrengend. Wenn die Mitarbeiter der Beratungsstelle bemerken, dass sich die Elternteile partout nicht auf das Angebot einlassen wollen, scheitert das Vorhaben. „Wenn die Paare mitmachen, lohnt es sich aber.“

Um dem steigenden Bedarf an dieser Beratung gerecht zu werden, bilden sich zwei Caritas-Berater derzeit fort. Doch wie erklärt sich Miller den Anstieg, der nicht nur im Kreis Ludwigsburg festzustellen ist? Die Fachleiterin hat beobachtet, dass Paarkonflikte mittlerweile schneller eskalieren. „Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen nicht mehr so konfliktfähig sind“, sagt sie. Die Verbindlichkeit lasse in Krisensituationen nach, die Ich-Bezogenheit nehme zu. Zudem tendieren einige heutzutage schneller dazu, sich persönlich gekränkt zu fühlen. Auch frühere Erfahrungen können eine Rolle spielen: „Manche Elternteile sind selbst Scheidungskinder“, sagt Miller.

Gerichte schauen mittlerweile genauer hin

Mittlerweile schauen Familiengerichte zudem genauer hin, wenn die psychische Gesundheit der Trennungskinder in Gefahr ist. „Sie versuchen, die Eltern stärker als früher in die Verantwortung zu nehmen“, erklärt die Fachleiterin. Daher komme es nun häufiger vor, dass die Gerichte strittige Paare an psychologische Beratungsstellen verweisen.

Eine Anlaufstelle bei Lebenskrisen

Standorte
 Die Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz bietet Beratung und Unterstützung an verschiedenen Standorten in den Landkreisen Ludwigsburg und Rems-Murr sowie in Teilen des Enzkreises an. Neben dem Caritas-Zentrum in Ludwigsburg gibt es unter anderem Außenstellen in Bietigheim-Bissingen, Murr, Besigheim, Möglingen und Ditzingen.

Beratung
 Bei Krisen wie Trennungen und Scheidungen sowie anderen Problemen in der Partnerschaft und Familie hilft die psychologische Beratung in Ludwigsburg. Einen Termin dafür können Hilfesuchende unter der Telefonnummer 07141/252 0730 vereinbaren. Die Sprechzeiten sind Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 9 bis 11.30 Uhr sowie von Montag bis Donnerstag von 14 bis 17 Uhr.