Stuttgarts Publikumslieblinge sind zurück: Die Comedian Harmonists singen im Alten Schauspielhaus nun auch „Sex-Bomb“ und „Männer sind Schweine“. Unser Kolumnist Uwe Bogen beschreibt, wie eine Premiere in der Pandemie gelingt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Dass sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann für das Chaos des vergangenen Wochenendes um die neue Coronaverordnung entschuldigt hat, hätte für Axel Preuß, den Intendanten der Schauspielbühnen, gar nicht sein müssen. Denn was nach dem Hin und Her um 2G plus herausgekommen ist, gefällt ihm sehr gut. Für das Plus gab’s am Ende ein Minus für alle, die geboostert sind oder deren zweite Impfung beziehungsweise deren Genesung weniger als sechs Monate zurückliegt. Daraufhin konnte der Theaterchef draußen sein eigenes Testzelt vor dem Alten Schauspielhaus abbauen – und drinnen die Stuttgarter Publikumslieblinge mit Freude begrüßen.

 

„Vor allem für ältere Gäste ist die neue Regelung eine Erleichterung“, sagt Preuß, „viele waren überfordert, vor der Vorstellung noch am Testzelt in der Kälte anstehen zu müssen, obwohl sie dreifach geimpft sind.“ Die Maskenpflicht drinnen bleibt, außerdem darf nur die Hälfe der Plätze belegt werden. Für die Premiere der Musikshow „Halleluja!“ heißt das: statt 500 dürfen nur 250 das Comeback der Comedian Harmonists feiern.

Was aus dem „Wunder von Stuttgart“ geworden ist

Keinen kleinen grünen Kaktus haben die sechs meist sehr nobel gekleidete Herren (im Finale tragen sie weißen Frack), diesmal unterstützt von Sängerin Amelie Sturm, mitgebracht, aber sechs kleine Weihnachtsbäume. Dies ergibt: 6G plus – sechs großartige Männerstimmen plus weiblichen Charme, Witz, plus einfühlsamem Frauensopran.

„Das Wunder von Stuttgart“ – so lautete die Überschrift unserer Zeitung vor knapp zwei Jahren. Ovationen im Stehen waren bisher im ehrwürdigen Jugendstilgebäude des Alten Schauspielhauses nicht üblich. Den großartigen Erben der Comedian Harmonists gelang Abend für Abend dieses Wunder im stets ausverkauften Theater. Wenn was super läuft, muss man noch eins draufsetzen. Diese alte Entertainment-Regel wollte Intendant Preuß befolgen und schmiedete einen verwegenen Plan, der sich wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben hat: Wie wär’s, wenn die Comedian Harmonists der alten 1920er auf ihre unnachahmliche Art die Hits der heutigen 1920ern und noch viel mehr Rock & Swing der neuen Zeit singen?

Halleluja, das haut rein!

Von den Ärzten bis zu Tom Jones, von den Beatles bis zu Leonhard Cohen

Regisseur Klaus Seiffert und sein musikalischer Leiter Florian Fries haben eine turbulente Song-Auswahl getroffen, viel Lametta fürs Herz. Das ist überraschende Diversität fürs Fest: von „Männer sind Schweine“ von den Ärzten bis zu „Sex Bomb“ von Tom Jones, von „Halleluja“ von Leonhard Cohen bis zu „Help“ von den Beatles. Bestes Entertainment bis zur „Stillen Nacht“. An Weihnachtslieder mangelt es nicht. Man würde sich gern die Jungs für den Baum daheim bestellen! Die Familie würde Augen machen! Comedian Harmonists to go, ja, das wär’s!

Für ihre erste Show 2019 sind die Herren Sänger quer durch die Republik gecastet worden. Sie kannten sich vorher nicht, lebten größtenteils gemeinsam in einer Stuttgarter Künstler-WG, kochten abends und sind zu dicken Freunden geworden. Diese Verbundenheit spürt man beim Singen.

In der Weißenhofsiedlung gefällt es ihm besonders gut

Stuttgart – the place to be. Bassist Tobias Hagge aus Berlin ist happy über die Rückkehr. „Ich genieße sehr die Freizeitmöglichkeiten bei euch“, sagt er. An freien Tagen wandert er in Weinbergen oder schaut sich in der Weißenhofsiedlung um, die ist sein Highlight in Stuttgart. Voll des Lobes ist er über die Bedingungen für Künstler: „Im Alten Schauspielhaus herrscht ein besonderer Geist, alle wollen das bestmögliche Ergebnis auf die Bühne bringen.“ Im Lockdown hat er „weitgehend durchgearbeitet“, mit Stipendien von Bund und Land eigene Projekte entwickelt, etwa Werke des vergessenen Komponisten Giacomo Meyerbeer aufgenommen, der im 19. Jahrhundert als Meisters der französischen Grand opéra galt.

Denn immer, immer wieder geht die Sonne auf

Wär keine Pandemie, das Schauspielhaus wär jeden Abend voll bis zum Rand. Jetzt müssen die Theaterleute Besitzer von Karten umbuchen, den Vorzug haben Abonnenten. Nur die Hälfe der 500 Plätze darf besetzt werden (vor allem fürs neue Jahr mit neuem Programm gibt’s noch Karten). Doch gerade in dieser Zeit braucht man eine Gute-Laune-Impfung wie „Halleluja!“. Tut gut, wenn getreu Udo Jürgens die Herren singen: „Denn immer, immer wieder geht die Sonne auf. Und wieder bringt ein Tag für uns ein Licht. Ja, immer, immer wieder geht die Sonne auf. Denn Dunkelheit für immer gibt es nicht.“

Unter der Maske fällt das Mitsingen ein bissle schwer. Beschwingt verlassen die Zuschauer das Schauspielhaus, mit Superstimmung aufgeladen, der Coronablues hat keine Chance mehr. Im Programmheft werden „30 kleine Dinge“ genannt, „die sofort glücklich machen“. Punkt zwölf: „Lob verschenken. Wer gut zu anderen ist, bekommt auch viel zurück.“ Die neue Show der Comedian Harmonists kann man nicht hoch genug loben. Was da jetzt wohl zurückkommt?