Der Richter müht sich vergeblich, das Verfahren gegen die zehn wegen Menschenhandels Angeklagten abzukürzen.

Fellbach - Ratschend greifen die metallenen Schließen der Handschellen ineinander. Die zehn Angeklagten, neun von ihnen sitzen in Untersuchungshaft, müssen den Sitzungssaal in Stuttgart-Stammheim verlassen: Es wird unterbrochen, ein weiteres Mal. Die Verteidiger und der Staatsanwalt haben sich in dem Prozess um Zwangsprostitution in Flatrate-Bordellen, in dem es auch um den einstigen Pussy-Club in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) geht, nicht auf eine Absprache einigen können. Gespräche vor dem Prozessbeginn waren auch schon erfolglos gewesen.

 

"Es wäre für das Gericht sinnvoll zu erfahren, woran es hakt", hat Claus Belling die erneute Pause begründet. Der Vorsitzende Richter der 10. Wirtschaftsstrafkammer will verhindern, dass sich der Prozess zum weiteren Mammutverfahren am Landgericht auswächst - ähnlich wie der Mordprozess gegen 21 mutmaßliche Mitglieder der Jugendbande Black Jackets, bei dem seit einem Jahr kein Ende abzusehen ist. Bellings Bemühen bleibt ohne Erfolg. "Es gibt kein Ergebnis", verkündet er nach fast eineinhalb Stunden Beratung knapp.

Termine sind bis Ende Juni anberaumt

Vorläufig sind bis Ende Juni Termine anberaumt, an denen das Gericht klären muss, welche Schuld die Angeklagten auf sich geladen haben. Ihnen wird Menschenhandel vorgeworfen, außerdem Zuhälterei und Sozialversicherungsbetrug, bei dem ein Schaden von 2,75 Millionen Euro entstanden sein soll. Mit falschen Versprechungen sollen sie vom Jahr 2004 an 22 junge rumänische Frauen nach Deutschland gelockt und zur Prostitution gezwungen haben. Hier mussten sie nach den Erkenntnissen der Ermittler bis zu 60 Männer an einem Tag bedienen-auch bei Krankheit, Erschöpfung oder Monatsblutung.

Die einzige Frau auf der Anklagebank ist dort zugleich die Jüngste: Sie ist Rumänin, 23 Jahre alt und arbeitet, seit sie 18 ist, als Prostituierte. Der älteste der neun angeklagten Männer ist ein 40-jähriger Automechaniker aus Rumänien. Zusammen mit ihm stehen auch sein Cousin und sein Bruder vor Gericht. Letzterer soll einer der beiden Drahtzieher der Zuhälterbande sein. Der Anklage zufolge organisierte der 37-Jährige das Geschäft mit den Prostituierten vom Gefängnis aus. Wegen Menschenhandels hatte ihn das Landgericht Frankfurt im Jahr 2007 zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Damals mussten sich auch zwei Männer wegen Beihilfe verantworten, die nun ebenfalls auf der Anklagebank sitzen; unter ihnen ein ehrenamtlicher Rettungssanitäter des Roten Kreuzes.

Zweiter Drahtzieher bereits in Rumänien verurteilt

Als zweiter Drahtzieher gilt ein 34-jähriger Spätaussiedler aus Rumänien, der sich in Deutschland zunächst erfolglos als Verkäufer von Tiefkühlnahrung verdingte. Später betrieb er in Heilbronn Diskotheken, darunter den Club Drakula, in dem laut Anklage zwei der 22 Frauen von Hintermännern der Bande rekrutiert wurden. Im Jahr 2006 setzte sich der 34-Jährige nach Spanien ab. Dort suchten ihn nicht nur die deutschen Behörden mit internationalem Haftbefehl, bis sie ihn vor einem Jahr in Madrid festnehmen konnten. Auch der rumänische Staat bemühte sich erfolglos um seine Auslieferung: Während seiner Abwesenheit war der Mann in seiner Heimat wegen Freiheitsberaubung zu fünf Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden.