US-Abgeordnete werfen Donald Trump einen „Putschversuch“ vor: Dessen Anhänger stürmen den Parlamentssitz und unterbrechen eine Sitzung, in der das Präsidentenwahlergebnis bestätigt werden sollte.

Washington - In Washington haben aufgebrachte Anhänger des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump die Kongress-Sitzung zur Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden unterbrochen. Die Beratungen der Abgeordneten wurden am Mittwoch vorübergehend ausgesetzt, nachdem die Demonstranten auf das Gelände des Parlamentssitzes und sogar in das Gebäude vorgedrungen waren. Sie warfen Barrikaden um und lieferten sich auf dem Kapitol – dem Tagungsort von Senat und Repräsentantenhaus – Zusammenstöße mit der Polizei. Diese setzte Tränengas und Pfefferspray gegen manche Demonstranten ein. Auf den Treppen des Kapitols wurden Trump-Flaggen entrollt. Wegen der Proteste im Herzen der amerikanischen Hauptstadt hat die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, eine Ausgangssperre angeordnet. Sie trete am Mittwoch um 18 Uhr (Ortszeit/Mitternacht MEZ) in Kraft und ende am Donnerstagmorgen um 6 Uhr (12 Uhr MEZ), teilte Muriel Bowser mit.

 

Dramatische Szenen im Sitzungssaal

Laut der Agentur Reuters kam es zu dramatischen Szenen: Gegen 20.58 MEZ sollen Demonstranten auch den Sitzungssaal des Senats erreicht haben. Auf einem Foto sei zu sehen, wie einer von ihnen im Stuhl des Senats-Präsidenten Platz nimmt. Zuvor sei der Sitzungssaal evakuiert und der die Sitzung leitende US-Vizepräsident Mike Pence an einen sicheren Ort gebracht worden. Der Sender C-Span veröffentlichte Aufnahmen, die den Einsatz von Tränengas vor dem Sitzungssaal des Repräsentantenhauses zeigen sollen. Die Polizei soll Abgeordnete aufgefordert haben, Gasmasken bereit zu halten.

Trump twittert: Bleibt friedlich!

Donald Trump rief seine Anhänger auf Twitter am Abend dazu auf, auf Gewalt zu verzichten: „Vergessen Sie nicht, wir sind die Partei von Recht und Ordnung. Bleibt friedlich!“ Der Minderheitenführer der Republikaner im Repräsentantenhaus Kevin McCarthy bezeichnete die gewalttätigen Proteste auf Fox News als „unamerikanisch“. Sie müssten sofort aufhören. Seinen Angaben zufolge seien auch Schüsse beim Kapitol gefallen.

Der Sieg von Joe Biden sollte in der Sitzung bestätigt werden

Der amerikanische Kongress war zusammengekommen, um über die Bestätigung von Bidens Sieg bei der Präsidentenwahl im November zu beraten. Es wurde erwartet, dass beide Kammern in der gemeinsamen Sitzung alle Versuche einiger Republikaner abschmettern werden, dies zu verhindern oder zu verzögern. Trump hatte zuvor in einer Ansprache vor seinen Anhängern seine nicht belegten Vorwürfe wiederholt, dass er um den Wahlsieg betrogen worden sei.

Nach öffentlichem Druck von Trump auf seinen Stellvertreter Pence hatte Pence am Mittwoch vor der Sitzung des Kongresses zur Zertifizierung der Ergebnisse der Präsidentenwahl erklärt, dass er nicht einseitig die Stimmen von Wahlleuten ablehnen werde. Sein Eid zum Schutz der Verfassung erlaube ihm das nicht, teilte Pence kurz vor Beginn der Sitzung mit, die er als Präsident des Senats leiten muss. Pence stellte sich damit gegen Forderungen von Präsident Trump. Der abgewählte Republikaner hatte in den vergangenen Tagen den Druck auf seinen Stellvertreter erhöht, den Wahlsieg des Demokraten Biden doch noch zu kippen. Trump hatte behauptet, der Vizepräsident habe die Befugnis, auf „betrügerische“ Weise ausgewählte Wahlleute abzulehnen. „Mach es, Mike - diese Zeiten brauchen extremen Mut“, twitterte Trump am Mittwoch. Das Gesetz sieht für Pence bei der Zusammenkunft des Repräsentantenhauses und des Senats - den beiden Kammern des Kongresses - jedoch lediglich eine zeremonielle Rolle vor. Trump behauptet, er sei durch massiven Wahlbetrug um seinen Sieg gebracht worden. Beweise dafür hat er nicht vorgelegt. Dutzende Klagen des Trump-Lagers sind gescheitert