Ein 45 Jahre alter Imam hat in der katalanischen Provinz in kurzer Zeit viele junge Männer radikalisiert. Er könnte der Kopf hinter den Anschlägen von Barcelona und Cambrils sein.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Barcelona - Die spanischen Behörden haben am Sonntag weiter mit Hochdruck nach dem flüchtigen mutmaßlichen Attentäter von Barcelona gesucht, einem 22-jährigen Marokkaner. Währenddessen versucht die Polizei die Hintergründe der Anschläge in der katalanischen Hauptstadt und dem Badort Cambrils aufzuklären. Viele der Informationen sind noch nicht offiziell bestätigt, doch langsam beginnt aus Dutzenden Puzzlestücken ein größeres Bild zu entstehen.  

 

Im Zentrum dieses Bildes ist an diesem Wochenende die Figur eines 45-jährigen Imams aufgetaucht. Der Marokkaner wirkte in einer Moschee in Ripoll, einem Ort mit kaum 10 000 Einwohnern in den Vorpyrenäen tief in der katalanischen Provinz. Die nächste größere Stadt, Girona, liegt 90 Kilometer entfernt, Barcelona 100 Kilometer. Hier hat der Imam möglicherweise in kurzer Zeit eine Gruppe junger Männer zu den Attentaten angestachelt. Eine Cousine des flüchtigen Fahrers des Lieferwagens, der am Donnerstagnachmittag in die Ramblas raste und 13 Menschen tötete, ist davon überzeugt: Der Imam sei für die Radikalisierung ihres Vetters und der anderen mutmaßlichen Mitglieder der Terrorzelle verantwortlich.  

Imam könnte unter den Toten sein

Die Polizei geht diesem Verdacht nach, ohne ihn schon bestätigen zu wollen. Dafür sei es zu früh, sagte der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero am Sonntagmittag auf einer Pressekonferenz. Am Wochenende durchsuchten Beamte allerdings das Zimmer des Imams in Ripoll, unter anderem auf der Suche nach genetischen Spuren, um sie mit den Überresten der Toten von Alcanar abzugleichen. Dort, in einem Dorf im äußersten Süden Kataloniens, war am späten Mittwochabend ein Haus bei einer Explosion vollkommen zerstört worden. Unter dem Schutt fand man zunächst einen Verletzten und eine Leiche, in den Tagen darauf tauchten Überreste von mutmaßlich zwei weiteren Toten auf, einer könnte der gesuchte Imam sein.

Das Haus in Alcanar war vor einigen Monaten von einer Gruppe von Männern besetzt worden, die dort mehr als hundert Butangasflaschen deponierten und mit Sprengstoff hantierten. Offenbar bereiteten sie ein großes Attentat vor, doch nach der versehentlichen Explosion änderten die anderen Mitglieder der Gruppe überstürzt ihre Pläne. Einer raste mit einem Lieferwagen in die Ramblas, fünf andere steuerten einige Stunden später auf die Uferpromenade von Cambrils zu.

Gefängniskontakt zu Unterstützer früherer Attentate

  Wenn die bisher bekannt gewordenen Informationen stimmen, hat der Imam bis 2012 fast zwei Jahre in einem Gefängnis in Castellón, der südlichen Nachbarprovinz Kataloniens, gesessen. Wegen Haschischhandels, schreibt die Zeitung El Mundo. Im Gefängnis von Castellón habe er einen anderen Marokkaner kennen gelernt, der dort eine 18-jährige Haftstrafe wegen Unterstützung der Attentate vom 11. März 2004 in Madrid mit 191 Toten absitze.

Die katalanische Polizei bestätigt eine andere Information: Der Name des Imams sei im Rahmen eines Antiterroreinsatzes im Jahr 2006 aufgetaucht, ohne dass er allerdings selbst zu den Beschuldigten gehörte. Als er im Jahr 2015 als Imam nach Ripoll kam, wurde er dort nicht auffällig. Die Moscheegänger beschreiben ihn als zurückhaltend. Polizeichef Trapero sagte, von einer offenen Radikalisierung innerhalb der Moschee sei nichts bekannt.   „Uns fehlen acht Jungen in Ripoll“, sagte ein Angehöriger eines der mutmaßlichen Terroristen zu einem Reporter der Zeitung La Vanguardia. „Wir wissen, dass fünf tot sind, weil sie es im Fernsehen sagen, von den anderen drei wissen wir nichts.“

Innenminister erklärt Terrorzelle für zerschlagen

Am Samstagmittag hatte der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido gewagt, die katalanische Terrorzelle für „zerschlagen“ zu erklären, auch wenn noch einige Männer gesucht werden. Allerdings starben fünf der Terroristen durch Polizeikugeln in Cambrils, mutmaßlich drei weitere im Haus von Alcanar. Vier weitere Männer sitzen in Haft, wenn auch nicht bei allen von ihnen eine direkte Verbindung zu den Attentaten besteht. Etliche Puzzlestücke fehlen noch. Vor allem aber war der mutmaßliche Attentäter von Barcelona bis zum Sonntagnachmittag noch nicht gefasst.    

Dessen Mutter rief ihren Sohn auf, sich zu stellen. Es sei besser, im Gefängnis statt tot zu sein, sagte sie zu Journalisten. Ein Schwerpunkt der Fahndung war die Grenzregion zu Frankreich rund um die Stadt Ripoll am Fuße der Pyrenäen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Gesuchte ins Nachbarland abgesetzt habe, sagte der Polizeichef Josep Lluis Trapero am Sonntag. Bei dem Anschlag wurden mehr als 100 Menschen verletzt, mindestens 13 wurden in Barcelona getötet. Eine weitere Frau starb bei dem Attentat in der Küstenstadt Cambrils.