Warum es in Ludwigsburg nicht mehr Radwege gibt? Weil die Planung lange dauert – unglaublich lange! Eine nicht ganz ironiefreie Betrachtung.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg - Zur großen Freude jedes Phrasenmähers und Floskeldreschers gibt es die schöne Redewendung „Kommt Zeit, kommt Rat.“ Ihrer kann man sich stets dann bedienen, wenn Gelassenheit von Nöten ist. Nur nicht verrückt machen lassen, suggeriert sie. Auf keinen Fall überstürzt handeln, rät sie. Im Laufe der Zeit wird sich schon eine Lösung finden, beruhigt sie. So weit, so bekannt.

 

Was hingegen weniger bekannt sein dürfte: Diese Redensart ist in Ludwigsburg zuhause. Womöglich, das ist ernsthaft nicht auszuschließen, ist sie hier sogar erfunden worden! Und zwar in all den Jahren, in denen sich im Baudezernat unendlich viele Menschen den Kopf darüber zerbrochen haben, wo und wie in Ludwigsburg Radwege verlaufen könnten.

Eine alte Idee für die Seestraße

Aber hallo, können Skeptiker da rufen: Es gibt doch einen wunderschönen Radweg in Ludwigsburg! Entlang der Marbacher Straße! Zwei Kilometer feinstes Streckenmaterial! Was kann man denn noch wollen? Aber hallo, können Kritiker da zurückrufen: Ein schöner Radweg macht noch kein Streckennetz! Dazu gehört schon ein bisschen viel mehr!

Tatsächlich gibt es auch ein bisschen viel mehr Ideen dafür, aber – weil man ja nichts überstürzen sollte – eben noch wenig Konkretes. Schauen wir mal in die Seestraße: Deren südliches Ende – das ist der Abschnitt zwischen Friedrich- und Leonberger Straße – würden die Grünen gerne in eine richtige Fahrradstraße umwandeln. Bis jetzt gibt es dort nur einen schmalen Streifen, auf dem Radler entgegen der dortigen Einbahnstraße fahren dürfen. Allerdings immer unter Inkaufnahme des Risikos, von einem entgegenkommenden Auto auf die Haube genommen zu werden. Die Seestraße in diesem Bereich ist nämlich sehr eng – auch deshalb, weil in der schmalen Straße zusätzlich viele Autos am Rand parken.

Die SPD warten schon lange

Dass man da „ganz, ganz schnell was tun“ muss, sieht die Stadtverwaltung ein und hat es jüngst im Mobilitätsausschuss zugegeben. Aber, man ahnt es, so schnell geht das natürlich nicht. Erst mal muss erhoben werden, wie viele Anwohner von einer Streichung der Parkplätze betroffen wären; ob sie anderweitig Stellplätze für ihre Autos haben; und wie mit dem Lieferverkehr in diesem Bereich zu verfahren sei. Und da sind vier Jahre natürlich gar nichts. So lange ist es inzwischen her, dass die Grünen ihren Antrag gestellt haben.

Was soll’s, sollten sie sich sagen. Es könnte schlimmer sein. Die SPD zum Beispiel wartet seit fünf (!) Jahren darauf, dass über ihren Antrag für einen Radfahrstreifen der Richard-Wagner-Straße abgestimmt wird. Konkret ging es mal um die Südseite des Abschnitts zwischen Hohenstaufenstraße und B 27. Inzwischen wäre die Fraktion aber schon zufrieden, wenn die Radler an der Ampel vor der B 27 mehr Extraplatz hätten, um sich sicher vor den Autos positionieren zu können.

Aktionismus bringt nix

Ob ihre Vision je in Erfüllung geht? So einfach lässt sich das nicht sagen. „Wir schauen uns das im Detail an“, versprach der stets milde Bürgermeister Michael Ilk. Dass dies Zeit in Anspruch nimmt, versteht sich. „Aber nicht fünf Jahre“, versprach der Bürgermeister, der sich ja auch noch um anderes kümmern muss.

Um eine sichere Anbindung des Bildungszentrums West zum Beispiel. Die Anträge diverser Fraktionen liegen nun auch schon wieder seit vier Jahren auf Ilks Schreibtisch. Oder um eine bessere Route an der Bärenwiese. Dort kommen sich regelmäßig radelnde Schüler und parkplatzsuchende Autofahrer in die Quere. Der Antrag der CDU dazu ist erst ein Jahr alt, die Überlegungen müssen also noch etwas reifen. Und dass es ganz gut ist, nicht hoppla-hopp in Aktionismus auszubrechen, kann man schön in der Wilhelmstraße sehen: Womöglich müssten die Radstreifen, die die FDP 2014 und die SPD 2016 beantragt hat, bald schon wieder umgebaut werden – wären sie jemals eingerichtet worden. Die Straße liegt nämlich auf der schnellen West-Ost-Verbindung für Bus- und Radverkehr, die die Stadt ganz frisch plant – und für die sie noch vor der (diesjährigen) Sommerpause einen Vorschlag vorlegen möchte.

Hoffnung für die Seestraße

Man sieht, das Rad der Zeit dreht sich in Ludwigsburg auch ohne Radwege ganz verlässlich weiter. Wobei sich in der Seestraße bald was tun könnte: In (diesem) Mai will die Verwaltung einen Vorschlag für den Radweg dort vorlegen. Und womöglich eine neue Ludwigsburger Redewendung begründen: Kommt Zeit, kommt Radweg.