Immer mehr Menschen wollen für ihren Beruf nicht mehr alles geben. Bei der Generation Z heißt das Quiet Quitting. Was steckt dahinter?

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Manchmal reichen 17 Sekunden, um die Arbeitswelt umzukrempeln. Im Juni machte ein kurzes Video des Nutzers Zaid Lepplin auf der Plattform Tiktok die Runde. Es ging um Quiet Quitting, wortwörtlich also um stilles Kündigen.

 

„Du kündigst nicht deinen Job, aber du kündigst der Idee, in deinem Job viel zusätzlich zu leisten. Du erledigst immer noch deine Pflichten, aber du hängst nicht mehr der Mentalität an, dass Arbeit dein Leben ist. Dein Wert als Mensch definiert sich nicht durch deine Arbeit“, heißt es darin frei übersetzt. Seither dreht der Begriff Quiet Quitting seine Runden auf sozialen Netzwerken. Und weil sich vor allem auf Tiktok hauptsächlich Vertreter der Generation Z tummeln – Leute, die etwa zwischen 1995 und 2010 geboren sind –, diskutiert man in Deutschland gerne die Frage, ob diese jungen Leute faul sind. Sind sie das?

Gearbeitet wird trotz Quiet Quitting

Die einfache Antwort lautet: Nein, sind sie nicht. So sieht es der Wirtschafts- und Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). „Die Erzählung, die junge Generation wolle nicht arbeiten, stimmt nicht“, sagt Weber. Die Wünsche zur Arbeitszeit hätten sich in Deutschland seit Jahrzehnten kaum geändert. Die etwas kompliziertere Antwort auf die Frage lautet aber: Es tut sich etwas auf dem Arbeitsmarkt. Quiet Quitting lässt sich laut Weber auf zwei Arten betrachten. Einerseits: Man erledige Dienst nach Vorschrift, bringe sich nicht unnötig ein und denke nicht weiter als unbedingt nötig. Andererseits: „Man arbeitet so, dass man nicht mehr krank wird und die Motivation aufrechterhält.“

Die von der älteren Generation geprägte Tradition von Arbeitsmoral, Arbeitsrhythmus und Arbeitsstil fänden viele Jüngere „nicht überzeugend und nicht gut“, sagte etwa der Jugendforscher Klaus Hurrelmann gegenüber der „Zeit“. „Hier hieß es noch: Der Beruf geht voran, man muss durchhalten und die Familie notfalls zurückstecken“, erklärt Hurrelmann weiter. Doch gerade darauf wollen sich Jüngere immer weniger einlassen, die Karriere steht für sie nicht mehr über allem anderen.

Arbeitnehmer sitzen plötzlich am längeren Hebel

Eine Art Katalysator sei dabei die Coronapandemie gewesen, sagt IAB-Forscher Weber. Homeoffice war plötzlich möglich, man konnte von weit entfernten Orten arbeiten, und viele überlegten, wo sie in Zukunft mit ihrer Arbeit hinwollen. „Während der Pandemie hat man gesehen, dass es auch anders gehen kann. Und solche kollektiven Erlebnisse wirken besonders stark.“

Und gewisse Ansprüche an die Arbeitswelt entwickelten sich in den vergangenen Jahren stärker heraus: Sie sollte „individueller, flexibler und souveräner“ werden, meint Weber. Wünsche, die vielleicht auch schon vorher da waren. Doch durch den Fachkräftemangel seien jetzt die Rahmenbedingungen dafür da, sagt Weber. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sitzen nun am längeren Hebel, weil sie gebraucht werden.

Nicht nur die Generation Z stellt mehr Ansprüche

Mit Faulheit oder mehr Zeit für Freunde, Hobbys und Beziehung habe dies nichts zu tun. „Die Arbeit hat nicht an Priorität verloren, die Bereitschaft, sich in bestehende Strukturen einzufügen, aber schon“, sagt Weber. Das gelte auch nicht nur für Arbeitnehmer aus der Generation Z. Und wie reagiert die Arbeitswelt darauf? „Die Diskussion hat noch nicht jeden Betrieb erreicht“, sagt Weber, der Anpassungsbedarf sei jedoch groß. Denn ohne auf die neuen Bedürfnisse der Arbeitnehmer einzugehen, könne man manche Stellen künftig wohl gar nicht mehr besetzen, meint Weber.