Sonntags, 9.25 Uhr: am Zentralen Omnibusbahnhof in Göppingen herrscht ein Fahrradchaos. Selten ist ein neu geschaffenes Angebot im öffentlichen Nahverkehr so gut angekommen wie der neue Radbus zum Reußenstein. Fast zu gut sogar.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Die Radtour hat noch nicht angefangen, da klagt Sebastian Kuntz schon. „Mir tut der Hintern weh vom Sitzen“, sagt er, als er am Wanderparkplatz Reußenstein aus dem Bus steigt. Als vermutlich jüngster Fahrgast, der an diesem Morgen im neuen Radwanderbus des Landkreises von Göppingen zur berühmten Burgruine am Albrand gefahren ist, hat der 21-Jährige auf dem Boden hocken müssen. Rund 50 Beförderungswillige, die meisten im Alter zwischen 45 und 75 Jahren, hatten sich um 9.25 Uhr am Zentralen Göppinger Omnibusbahnhof durch die Bustüre gedrängt. Da muss mancher stehen. Das größere Problem dabei: fast alle wollen ihr Fahrrad mitnehmen, doch auf dem neu gekauften Anhänger ist nur Platz für 20 Drahtesel.

 

Ein Bus für Menschen, einer für Fahrräder

Seit einigen Wochen schickt der Landkreis, der von dem Erfolg seines touristischen Angebots ein wenig überrascht wurde, deshalb provisorisch beim ersten Kurs einen zweiten Bus mit auf die Reise – nur für Fahrräder. Doch Jürgen Dreher (Ziel: Wiesensteig – Schopflocher Skulpturenweg – Neidlingen – Dettingen und dann zurück) ist schon zum zweiten Mal dabei und weiß, was jetzt passiert. „Wenn die Busse angefahren kommen, gibt es ein einziges Chaos“, sagt er und schwingt dann als Erster sein Rad auf den fast noch rollenden Anhänger. Die anderen sehen das als Aufforderung, es ihm gleich zu tun. Kurz ist es tatsächlich wie beim Sommerschlussverkauf, nur mit umgekehrten Vorzeichen.

In Bus zwei geht es derweil nicht viel anders zu. Damit ihm nicht alles bei einer Vollbremsung in den Rücken schießt, hat der Busfahrer Martin Eisenhut, der an diesem Morgen die ungewöhnliche Fracht zu chauffieren hat, hinter der ersten Sitzreihe ein Holzgatter angebracht. Dahinter herrscht Fahrradmikado. „Achtung, mein Rad verkratzt“, ruft eine ältere Dame. Doch wer mit will, darf nicht zimperlich sein.

Ein Spottpreis für 430 Höhenmeter

Eisenhuts Kollege schnallt derweil in bewundernswerter Gelassenheit die Fahrräder auf dem Anhänger fest und beginnt dann mit dem Verkauf der Tickets. 1,50 Euro kostet die knapp einstündige Fahrt – egal ob mit Rad oder ohne. Das ist der übliche sonntägliche Spartarif des Filsland-Mobilitätsverbundes. Dafür, dass man sich knapp 30 Kilometer Strecke und vor allem 430 Höhenmeter spart, ist das ein Spottpreis, finden hier eigentlich alle. „Die würden locker fünf Euro bezahlen“, mutmaßt einer über seine Mitfahrgäste und gibt immerhin ein ordentliches Trinkgeld. Tatsächlich ist der Radbus des Kreises Esslingen, der im stündlichen Wechsel von Kirchheim aus den Reußenstein ansteuert, fast doppelt so teuer. Da gilt der VVS-Tarif: 2,80 Euro.

Mit 20-minütiger Verspätung geht es schließlich los. Für Andreas Renninger (Ziel: Randecker Maar - Bissingen – Weilheim – Hattenhofen) ist es jetzt Zeit, ein Büchsenbier aufzumachen. Als Chef einer elfköpfigen Radlertruppe hat der 47-Jährige die erste und vermutlich nervenaufreibendste Herausforderung schon gemeistert: Alle Mitfahrer und vor allem ihre Fahrräder sind an Bord. Bei einem Grillabend sei das Gespräch auf den Radbus gekommen und so habe man sich verabredet, erzählt der Uhinger.

Wer zu spät zusteigt, wird bestraft

Da hält der Bus schon in Jebenhausen und zusammen mit fünf weiteren Fahrgästen zwängt sich auch noch Dieter Kasner (Ziel: Filsurspung – Geislingen und weiter die Fils hinab) hinein. Sein Fahrrad muss der 67-Jährige gleich bei sich behalten, doch da hat er Glück. Denn schon in Heiningen müssen zehn Leute an der Haltestelle stehen bleiben. „Ich habe mich so darauf gefreut. Das ist eine große Enttäuschung“, sagt Lioba Reusch. Die 59-Jährige wollte nach Schopfloch und Ochsenwang.Jetzt muss sie überlegen, ob sie zwei Stunden auf den nächsten Bus wartet oder ihr Rad direkt zum nächsten Café steuert.

Oben angekommen, wartet schon Uwe Komarek auf seine Freunde, die Radlergruppe um Andreas Renninger. Der 53-Jährige ist von Ebersbach direkt hochgeradelt und hat dafür eineinhalb Stunden gebraucht. „Anstrengend war’s“, sagt er. Andererseits sei ihm die Fahrt mit dem Radbus dann doch ein wenig zu chaotisch.