Radikale Coronaleugner rufen im Netz immer wieder zu Gewalt auf. Sie könnten auch tätig werden, heißt es vom Landesinnenministerium.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Stuttgart/Berlin - Der Ton in einschlägigen Chatgruppen aus dem „Querdenker“-Milieu wird radikaler: Ein deutscher Impfgegner schreibt etwa auf seinem Telegram-Kanal vom „Recht, einen Polizisten über den Haufen zu schießen, der einen zur Zwangsimpfung schleppt“. Eine mögliche Impfpflicht beschäftigt nicht nur die Politik, sondern auch die Szene der radikalen Corona-Leugner und sogenannte Querdenker. Teilnehmer innerhalb dieser Chats rufen dort immer wieder zu Gewalt gegen staatliche Organe auf, die für die Umsetzung und Durchführung der aktuellen Coronamaßnahmen verantwortlich sind: Politikerinnen und Politiker sowie Polizisten und Polizistinnen.

 

Gewalt: Nicht ausgeschlossen

Dass es eine radikale Gruppe von Coronaleugnern gibt, ist bekannt. Aber wird sie durch die Angst vor einer Impfpflicht auch künftig gewaltbereit sein? Die „Querdenker“, aber auch andere extremistische Akteure arbeiteten stark an einer Vernetzung auf virtuellen Plattformen, teilte das baden-württembergische Innenministerium auf Anfrage mit. Ziel der Vernetzung sei der Widerstand gegen staatliche Maßnahmen. Und: „Bei einigen Chatgruppen können militante Aktionen in der realen Welt nicht ausgeschlossen werden.“ Einzelne Mitglieder würden sich weiter radikalisieren, es bestünde die Gefahr von „Einzelaktionen gegen Einrichtungen oder Vertreter des Staates“, heißt es vom baden-württembergischen Innenministerium weiter.

Der Grund dafür hat laut Einschätzung des Innenministeriums bei den Querdenkern auch etwas mit der diskutierten Impfpflicht zu tun – denn man sehe sie als Beweis einer voranschreitenden Diktatur.

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Die Angst vor der Spritze ist groß

Die Sozialpsychologin Pia Lamberty sprach gegenüber dem Mannheimer Morgen zuletzt von einer bedrohlichen Gemengelage: „Der Ton ist rau geworden, es brodelt, und die Menschen haben Angst.“ Diese Angst kommt bei radikalen Impfgegnern daher, dass eine Impfung bei ihnen einer „Todesspritze“ gleich kommt – so wird die Impfung in einschlägigen Gruppen immer wieder bezeichnet. Viele scheinen davon überzeugt zu sein, dass sie an der Impfung sterben könnten. Das ist eine mögliche Erklärung, dass Teile der Gruppierungen radikaler werden: Wer ohnehin Todesangst hat, könnte besonders unberechenbar sein.

Das Bundesinnenministerium kommt aber zu einer anderen Einschätzung als das Innenministerium im Südwesten: Die Auseinandersetzung rund um die Impfpflicht und die einschränkenden Maßnahmen gehe in den sozialen Medien und bei Protesten zwar mit einem verbal aggressivem und gewaltbereiten Verhalten einher. Man beobachte die Szene weiter. Derzeit seien aber „keine konkreten Hinweise auf weitere Radikalisierung der zentralen Akteure zu erkennen“, teilte ein Sprecher des Ministeriums mit.

Was die AfD mit Querdenkern gemein hat

In der Parteienlandschaft bietet die AfD den Impfskeptikern eine Heimat. Der Bayerische Rundfunk veröffentlichte Auszüge aus einer internen Chatgruppe der bayerischen Landespartei. Auch dort fallen Begriffe wie „Impfdiktatur“ und „Genozid“ durch die Impfung – ähnlich wie in den Telegram-Kanälen aus dem Querdenker-Umfeld.