Stefan Schumacher hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Jetzt fährt der Radprofi für ein drittklassiges Continental-Team aus Kuwait – und das nicht nur, weil er dort ganz ordentlich verdient.

Nürtingen - Was haben die Ex-Fußballer Stefan Effenberg und Mario Basler, Raúl und Romario gemeinsam? Klar, am Ende ihrer Karriere lief es wie geschmiert. Zumindest aufs Konto. Wie viele andere Stars ließen auch sie sich ihre letzten Monate als Kicker am Persischen Golf vergolden – mit Petro-Dollars. Das ging runter wie Öl. Die Millionensummen, die im Fußball im Spiel sind, klingen für viele Radprofis nach einem Märchen aus 1001 Nacht. Und dennoch profitieren nun auch einige Pedaleure davon, dass ihr Sport in Asien einen Aufschwung erlebt. Zum Beispiel Stefan Schumacher (35).

 

Der Nürtinger hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Er gewann Etappen bei der Tour de France und beim Giro d’Italia, holte 2007 in Stuttgart WM-Bronze. Und wurde 2008 als Doper überführt, weshalb er sogar vor dem Landgericht als Betrüger angeklagt (und freigesprochen) wurde. Danach war es vorbei mit der großen Karriere, klein beigeben wollte Schumacher trotzdem nicht. Er hielt sich mit Verträgen bei (drittklassigen) Continental-Teams über Wasser, zuletzt beim Stuttgarter Rennstall Christina Jewelry. Jetzt sagt er: „In meinem Alter geht es darum, noch ein bisschen Geld zu verdienen.“ Da kam das Angebot aus Kuwait gerade recht.

Schumacher startet bei Rennen, die er noch nie gefahren ist

Abdullah Al Shammari ist Generalsekretär des Radsport-Verbandes in Kuwait – und, nachdem sich seine Mutter hier hat operieren lassen, ein Freund von Stuttgart. Irgendwann bekam er mit, dass vor den Toren der Landeshauptstadt ein Radprofi lebt, der über reichlich Erfahrung und genügend Motivation verfügt, um sich noch mal auf ein Abenteuer einzulassen. Also rief er bei Stefan Schumacher an, der nicht lange überlegen musste – was nicht nur damit zu tun hatte, dass sein Gehaltswunsch, obwohl ziemlich hoch angesetzt, großzügig erfüllt wurde. „Ich werde bei Rennen starten, die ich noch nie gefahren bin. Das wird spannend“, sagt Schumacher, „für mich ist dieses Engagement nicht wie eine Frührente. Ich bin ehrgeizig, habe sportliche Ziele. So lange ich Rad fahre, gebe ich alles.“ Und das erwartet Abdullah Al Shammari auch.

Der Mann, der sein Geld als Immobilienmakler verdient, ist der Chef des Teams Kuwait-Cartucho. Neben dem Nürtinger verpflichtete er auch dessen früheren Gerolsteiner-Kumpel Davide Rebellin (45/wie Schumacher 2008 mit der Epo-Variante Cera erwischt) und Björn Thurau, den Sohn von Ex-Profi Didi Thurau. „Wir sind eine ganz gute Gruppe“, meint Schumacher, der im Team klare Aufgaben hat: Er soll bei den Rundfahrten der Asia-Tour, zum Beispiel auf den Philippinen (ab 18. Februar), in Thailand, Japan, Korea oder im Iran, eine möglichst gute Rolle spielen. Er soll seine Erfahrung an die fünf kuwaitschen Talente weitergeben, deren Ziel die Olympischen Spiele 2020 in Tokio sind. Und er soll helfen, den Rennstall für die Zukunft professionell(er) aufzustellen. „Was den Radsport angeht, tut sich am Persischen Golf enorm viel“, sagt Schumacher, der zuletzt zehn Tage in der Wüste rund um Kuwait City trainiert hat, „und auch die Qualität der Wettbewerbe in Asien steigt rasant. Die Veranstalter profitieren davon, dass es in Deutschland, Italien oder Spanien immer weniger Rennen gibt.“

Erster Marathon in 2:50 Stunden

Für Schumacher sind die Aussichten so verlockend, dass er schon jetzt erste Gespräche über eine Vertragsverlängerung bis Ende 2018 geführt hat. Wenn es sportlich gut läuft für ihn, dann dürfte er pro Jahr knapp sechsstellig verdienen. Das liegt zwar immer noch weit entfernt vom Gehalt in seiner besten Zeit bei Gerolsteiner (675 000 Euro), und ausgesorgt hat er damit auch nicht, aber für einen Profi eines Continental-Teams ist es eine beachtliche Summe – zumal 2016, abgesehen vom Sieg bei der Tour of Marokko, verletzungsbedingt nicht gerade optimal gelaufen war. Sein letztes Rennen bestritt Schumacher Ende August. Danach waren seine größten sportlichen Leistungen die Marathon-Premiere in Frankfurt, wo er beachtliche 2:50:14 Stunden lief, sowie Spaziergänge mit Frau und Sohn Lunis (sieben Monate). Nun freut sich Schumacher auf seine neue Aufgabe. „Radfahren ist mein Job“, sagt er, „und diesen Job versuche ich möglichst gut zu machen.“ Auch das unterscheidet Schumacher von manchem Fußballer, der sich das Ende der Karriere am Persischen Golf vergolden lässt.