Die Vuelta in Spanien beschließt die Corona-Saison im Radsport. Sprinter Pascal Ackermann will mindestens eine Etappe gewinnen – dabei weiß keiner, wie lange das Rennen dauern wird.

Irun/Stuttgart - Der Profiradsport ist schon in normalen Jahren knüppelhart. Doch 2020 ist alles noch viel härter. Beim Versuch, die Corona-Krise zu meistern, haben Verbände, Veranstalter und Verantwortliche der Teams fast alles in drei Monate gepackt, was sonst in einer gesamten Saison stattfindet. Mit der Folge, dass an diesem Dienstag nicht nur die letzte Woche des Giro d’Italia beginnt (sofern es keine weiteren Corona-Fälle gibt), sondern parallel dazu die erste von 18 Etappen der Vuelta a Espana läuft. Dabei ist die Tour de France gerade erst vier Wochen her, und zwischendurch fanden noch die WM und einige der großen Klassiker statt. Der Wahnsinn ist Programm? So könnte man es vor der nächsten Tour de Tortur sagen. Tut aber keiner, zumindest nicht im Peloton. „Das ist doch unser Job“, erklärt Pascal Ackermann, der Sprinter aus der deutschen Mannschaft Bora-hansgrohe, „wir sind froh, überhaupt Rennen fahren zu können. Und das gilt für alle im Feld.“ Jeglichen Widrigkeiten zum Trotz.

 

Die Vuelta findet so spät statt wie nie zuvor. Und sie ist so schwer wie eh und je. Auf der sechsten Etappe geht es unter anderem über den berüchtigten Col du Tourmalet (2 115 Meter) in den Pyrenäen, dort drohen sogar Eis und Schnee. Und auch sonst haben die Macher die Strecke mit erstaunlicher Kühle geplant. Sie hätten die geschundenen und gestressten Radprofis am Ende ja nicht noch einmal an ihre Grenzen führen müssen. Machen aber genau dies. Nur ein extrem starker Kletterer kann angesichts der vielen steilen Anstiege die letzte der drei dreiwöchigen Rundfahrten gewinnen. Weshalb umso verwunderlicher ist, dass Pascal Ackermann voller Vorfreude an den Start geht.

Eine ziemliche Qual

Das Ziel des schnellsten deutschen Profis ist es, eine Etappe zu gewinnen – mindestens. Doch es wird, wenn überhaupt, höchstens an vier Tagen zu Sprintankünften kommen. Der Rest ist eine ziemliche Qual für Ackermann. „So viele Berge bin ich noch nie nacheinander gefahren“, sagt er, „allerdings war meine Planung voll auf die Vuelta ausgelegt. Deshalb will ich hier auch richtig Rad fahren.“

Das hat mit den eigenen Ansprüchen zu tun: Ackermann möchte beweisen, dass er zu den besten Sprintern der Welt gehört. Zugleich hängt aber auch viel von seiner Leistung bei der Vuelta ab. Ralph Denk hat ihm zugesichert, dass er 2021 erstmals bei der Tour de France dabei sein darf, und normalerweise löst der Chef des Bora-Teams solche Versprechen ein. Andererseits muss Ackermann dieses Vertrauen natürlich auch rechtfertigen. Am besten mit dem einen oder anderen Sieg bei der Vuelta, seiner zweiten Grand Tour nach dem Giro d’Italia 2019, bei dem er zwei Etappen gewann. „Kopf und Beine sind fit“, sagt er, „ich freue mich, endlich loslegen zu können.“ Auch wenn offen ist, wie lange alles gut gehen kann.

Sehr gutes Hygienekonzept

Bis zum 8. November kurvt die Vuelta durch Spanien, das Ziel ist Madrid – einer der größten Corona-Hotspots in Europa. Den Ansteckungsgefahren begegnen die Veranstalter unter anderem mit einem 14 Meter langen Truck, der das Rennen begleitet und in dem 18 Mitarbeiter täglich zwischen 700 bis 750 Menschen testen können. „Das Hygienekonzept ist sehr gut“, meint Pascal Ackermann, „wenn sich jeder an die Regeln hält, müssen wir Fahrer uns keine Sorgen machen.“ Sondern einfach nur ihren Job erledigen. Und sei er auch noch so hart.